1. Wenn die Nachtigall erwacht 12


    Datum: 27.08.2019, Kategorien: Sci-Fi & Phantasie Autor: by_Faith_

    ... Bridge. Anstatt wieder abzutauchen, um weiter zu schwimmen, machte sie mit ihrer Schwanzflosse kleine Bewegungen, die ihren Kopf oberhalb der Wasserlinie hielten. Ihre Haare waren zu zwei Zöpfen geflochten, die hinter ihren Ohren herabhingen und im leichten Wellengang des Pazifiks verschwanden. Es sah so aus, als wären mehrere schwarze Bänder in die weizenblonden Zöpfe geflochten.
    
    »Wir haben San Francisco erreicht«, sagte sie leise.
    
    In die Zöpfe kam Leben, die schwarzen Bänder spannten sich an und kurz darauf durchstießen die unteren Enden der Zöpfe die Wasseroberfläche. Das Geflecht bewegte sich mit der Anmut von Schlangen, die sich hinter ihr aus dem Wasser erhoben, bis links und rechts von ihrem Kopf zwei kleine Blüten schwebten. Die eine Blüte war orange und es zogen sich feine blaue Linien über die Innenseite des Kelchs. Die andere Blüte war das genaue Gegenteil. Ihre Blüte war kräftig blau und wurde von orangen Linien durchzogen. Neugierig richteten sich die Blüten in Miriams Blickrichtung aus.
    
    ‚Hier wolltest du hin?`, fragte M'ryn der I.
    
    »Vielleicht nicht genau hier hin, aber wir sind dem Ziel näher als je zuvor«, antwortete Miriam. Diese Reise hatte über drei Wochen gedauert und jetzt, da sie sich dem Ende neigte, bedauerte es Miriam. Seit ihr Greg das Leben gerettet und sie zur Nordsee gebracht hatte, war sie alleine durch die Meere geschwommen. Von der Nordsee in den Atlantik, westwärts bis nach Mexiko. Dort hatte sie die Landquerung nach Westen als ...
    ... blinder Passagier eines Güterzugs bewältigt und war in den Pazifik abgetaucht. Dann ging es tagelang nordwärts, an der Westküste des amerikanischen Kontinents entlang, und jetzt lag die Bucht von San Francisco vor ihr.
    
    Es wäre vielleicht auch einfacher gegangen, aber die Zeit der Einsamkeit und der Entbehrungen tat ihrer Seele gut. Keine Menschen auf Schritt und Tritt, keine Passkontrollen, kein Angstschweiß, weil ein Wachmann ihr Gesicht mit einem Fahndungsfotos abglich. Offiziell war sie tot, obwohl ihre Leiche nie gefunden wurde. Tote erschienen nicht in Fahndungslisten - Miriam wollte daran nichts ändern.
    
    Als sie aufgebrochen war, hatte sie nicht damit gerechnet, ihr Ziel zu erreichen. Nach dem Schock, den sie zu überwinden hatte, wollte sie möglichst weit von Menschen entfernt sein. Die Verzweiflung ließ sie die ersten Tage in eine emotionale Starre verfallen. Danach durchlebte sie eine Phase, in der sie von Rachegelüsten am Leben gehalten wurde. Sie malte sich mehrere Szenarien aus, wie sie ihre Wut an Ellen Keens, oder der Menschheit im Allgemeinen, auslassen könnte. Dabei spielte es keine Rolle, ob sie überlebte. Sie wollte nur möglichst viel Schaden anrichten.
    
    Erst in den letzten Tagen wurde ihr Verstand wieder so klar, dass sie die Dinge anders sah: Sven lebte mit hoher Wahrscheinlichkeit noch und war mit Sicherheit über viele Wochen in einer Quarantänestation gefangen. Weiterhin hätte sich Ellen Keens nicht so viel Mühe gegeben V'nyx den IV. lebend zu ...
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