1. Der Plan


    Datum: 06.12.2019, Kategorien: Schamsituation Autor: Anonym

    Als ich am Freitagabend nach Hause kam etwas früher als geplant blickte ich vorsichtig in unser kleines Büro, weil ich ihn überraschen wollte. Er saß vor dem PC mit geöffneter Hose und mit seiner linken Hand fasste er sich an. Ich ging schnell und leise in den Flur zurück und machte dann dort absichtlich besonders viel Lärm. Obwohl mich der Anblick, der sich mir geboten hatte, geschockt hat, wollte ich ihn doch nicht in eine peinliche Situation bringen, die unsere Beziehung eventuell kaputt machen könnte. Ich schlug also noch einmal die Wohnungseingangstür zu, pfefferte mein Schlüsselbund auf den Schrank und tönte Lautstark: Hallo Schatzi, ich bins! Dabei schleuderte ich meine Schuhe in den Schuhschrank und ließ mir bzw. ihm noch etwas Zeit indem ich hinterher rief, Ich bin gleich bei dir, ich muss nur kurz noch mal Pipi machen!
    
    Ich ging in unser Badezimmer, stellte mich vor den Spiegel und atmete erstmal tief durch. Wie sollte ich mit dieser Situation umgehen? Sollte ich ihn zur rede stellen? Fragen warum? Mit ihm ganz locker darüber reden? Ja, das wäre wohl das Beste, aber nicht jetzt, nicht heute! Ich erinnerte mich an das was ich gerade von der Schriftstellerin Ariadne von Schirach (28) gelesen habe:
    
    Eine ganze Generation junger Männer sitzt mit heruntergelassenen Hosen vor dem Computer und onaniert bis zum Tennisarm, weil ihnen die Auseinandersetzung mit Frauen, die ihre Ansprüche äußern, zu anstrengend geworden ist. (Der Spiegel Nr. 10, 05.03.07, s. 175)
    
    Ich ...
    ... hatte bis eben nicht damit gerechnet auch davon betroffen zu sein! Stelle ich zu hohe Ansprüche? Scheut er die Auseinandersetzung mit mir? Bin ich zu egoistisch? Gehe ich zu wenig auf seine Ansprüche ein? Hat er Angst seine Wünsche zu äußern? Ich beschloss in Ruhe nachzudenken und vielleicht ein paar zusätzliche Informationen zu sammeln, dazu musste ich mir unseren PC vornehmen
    
    Das Wochenende ist halbwegs normal abgelaufen, ich habe viel gegrübelt und nachgedacht, Um ihn nicht zu beunruhigen, habe ich ihm noch am Freitagabend gesagt, dass ich eine Scheißwoche hinter mir und eine noch beschissenere vor mir habe! Montagmorgen. Er ist bereits früh zu einer mehrtägigen Geschäftsreise aufgebrochen. Jetzt sitze ich vor unserem gemeinsamen PC, vor mir ist der Bildschirm mit der Abfrage, ob ich meinen oder seinen Bereich öffnen will. Soll ich oder soll ich nicht?
    
    Wir leben jetzt seit 5 Jahren zusammen und haben uns immer gegenseitig ein paar kleine Geheimnisse und Privatsphären gelassen. Aber das ist nun doch eine besondere Situation, die besonderes Handeln erfordert. Irgendetwas in diesem PC reizt ihn mehr als ich, mehr als mein nackter Körper und meine Zärtlichkeit. Selbstzweifel. Unsicherheit. Und auch ein klein wenig Wut und Enttäuschung. Es handelt sich ja auch um eine Art betrogen werden. Ich bin 28! Von Alterungserscheinungen ist (fast) noch nichts zu sehen! Er ist mit 33 auch noch weit vor den Midlife-Crisis, also in der Phase, wo Männer beim Anblick eines Teenagers schon ...
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