1. Überraschende Begegnung 01


    Datum: 08.05.2020, Kategorien: Betagt, Autor: byHolzfaeller

    Alle Jahre mache ich in den Seniorenheimen in meiner Region Bilderschauen, um den Alltag der Senioren etwas aufzulockern. Die Bilderschauen, mal aus der Region, mal aus Deutschland oder von fernen Ländern die ich besucht habe, sind alle mit Musik unterlegt, so dass die Senioren zum Mitsingen animiert werden. Ich mache das schon einige Jahre und es erfreut sich immer einer großen Beliebtheit. Die Gesichter der Zuhörer/-seher ändern sich stetig, was ja in diesen Heimen nicht ausbleibt.
    
    Bei den Vorträgen werde ich immer namentlich vorgestellt und auch eine kleine Biografie meines Werdeganges als Hobbyfotograf darf in der Vorstellung nicht fehlen. Es ist immer wieder schön in erwartungsvolle Gesichter zu schauen. Bei meinem ersten Vortrag im Nachbarkreis winkte mir eine Frau ganz dezent zu, was ich zwar registrierte aber keiner weiteren Beachtung schenkte, es kommt öfters vor, dass die Senioren ihre Begeisterung ausdrücken. Nach dem Vortrag ist es üblich, dass ich Fragen beantworten darf oder die oder der andere mir ihr Urlaubserlebnis schildert.
    
    Nachdem fast alle Rollifahrer vom Pflegepersonal auf die Stationen gebracht wurden und die „Fußgänger" mit ihren Rollatoren den Weg angetreten haben, blieb eine Frau auf ihrem Platz sitzen. Sie wurde vom Pfleger gefragt, ob sie nicht aufstehen könne, was sie mit einem Kopfschütteln beantwortete. Es war die Frau, die mir diskret zugewunken hatte. Sie möchte mich gerne was Persönliches fragen und ich stoppte mit dem Zusammenpacken ...
    ... meiner Utensilien. Ob ich sie nicht mehr kenne, sie wäre sich nicht sicher gewesen aber als mein Name fiel, hätte sie gewußt, den kenne ich gut.
    
    Ich stand auf dem Schlauch und als mein Blick mehr als tausend Fragezeichen zeigte, grinste sie.
    
    Ich bin die Therese, genannt Resi, kam aus ihren Mund und meine Speicherplatte im Gehirn rotierte, bis sie einrastete und mir das Jahr 1986 vorspielte. Ja, genau die Nachbarin von gegenüber. Ich gab ihr die Hand und sie zog mich an sich und wir drückten uns. Was machst du denn hier und dann noch im Nachbarkreis, war meine spontane Frage. „Das ist eine etwas längere Geschichte, komm mich doch mal besuchen, dann erzähle ich dir alles. Du kannst jederzeit kommen, denn ich habe nie Besuch und für dich habe ich immer Zeit."
    
    Ich packte meine Sachen ein und zusammen verließen wir den Raum. Im Flur drückten wir uns noch mal und dann machte ich mich auf die Heimreise. Da hatte ich aber nur noch Gedanken um Resi, wie auch die kommenden Tage.
    
    Die Erinnerungen an den Juni 1986 kamen immer intensiver und letztendlich hatte ich auch die Bilder vor Augen. Meine Eltern wollten unbedingt, dass ich den letzten Urlaub mit der Familie (Eltern und eine jüngere Schwester) verbringen sollte. Ich hielt dagegen, dass ich im September Abschlußprüfung habe und dafür noch reichlich lernen muss. Sie beugten sich und ich war froh, dass ich diesen „Traumurlaub" nicht antreten musste. Ausserdem war ich vor paar Tagen 18 geworden, so dass ich ja auch über mich ...
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