Die Stille
Datum: 08.08.2021,
Kategorien:
Verführung
Autor: testsiegerin
... sie beobachtete, hatte ich in einem Anflug von unterbewusster Empathie meine eigenen Lippen ebenfalls zu einen "O" geformt. Spiegelneuronen, fiel mir ein.
Sie hielt mir lachend den Lippenstift hin. "Möchten Sie auch?"
Hätte mir irgendjemand gesagt, dass meine ersten Worte nach den Schweigeexerzitien ausgerechnet "Danke, aber ich steh mehr auf Pastelltöne" sein würden, ich hätte fassungslos den Kopf geschüttelt oder hemmungslos losgelacht.
Das hemmungslose Lachen übernahm die Rothaarige für mich. "Dabei schauen sie gar nicht so witzig aus", stellte sie fest, als sie sich wieder beruhigt und einen bösen Blick der jungen Dame geerntet hatte. Ich war mir nicht sicher, ob ich diese Aussage als Kompliment werten sollte. Vielleicht hätte ich besser geschwiegen, denn sie veränderte ihre Körperhaltung und wandte sich mir zu. Die Beine hielt sie nun nicht mehr übereinandergeschlagen, sondern öffnete sie leicht. Oh je, dachte ich. Ah ja, dachte ich aber auch und war ein wenig irritiert. Offenbar interpretierte sie mein Danke-aber-ich-steh-mehr-auf-Pastelltöne als Einladung auf ein Gespräch. Ich wappnete mich innerlich, denn ich rechnete mit eine Fragenattacke nach Alter, Beruf, Urlaubsdestination und Lieblingsspeisen und überlegte, wie ich diese Fragen bestimmt, aber höflich - und witzig, denn ich muss zugeben, dass mich ihre Einschätzung, dass ich gar nicht so witzig aussähe, ein wenig kränkte - parieren könnte. Sie wollte nichts von alldem wissen. Sondern schaute mich mit ...
... offenem Blick an und fragte: "Was macht Sie so traurig?"
Aha, traurig. Ich war also nicht nur humorlos, sondern auch noch ein unübersehbarer Trauerkloß. Ein öffentliches Ärgernis. Eine Spaßbremse vor dem Herrn. Natürlich hatte ich allen Grund traurig zu sein. Meine Arbeit war anstrengend, unerfreulich und unterbezahlt. Meine Ehe so langweilig, wie man dies nach über zwanzig Ehejahren erwarten konnte. Meine Kinder waren verwöhnt und versnobt. Unser Hund nicht minder. Und mein Fußballverein steckte wie immer unten drin und kämpfte erfolglos gegen den dritten Abstieg in Folge. Das waren Gründe genug, um in Depressionen zu versinken und dem Friseur oder dem Arzt mit meinem Gejammer auf die Nerven zu gehen. Trotz allem war ich nicht traurig.
"Die Erderwärmung. Die Bevölkerungsexplosion. Und das Vorabendprogramm", bot ich ihr trotzdem zur Auswahl an.
Sie lachte. Aus ihren Augen blitzte Fröhlichkeit und eine Leichtigkeit, um die ich sie beneidete, aus ihrem Mund blitzten zwei Goldplomben. "Gegen die Erderwärmung und die Bevölkerungsexplosion kann ich nichts tun", sagte sie, "obwohl..." Sie fing wieder an in ihrer Handtasche herumzukramen und ich wunderte mich, dass da immer noch etwas zum Vorschein kam, obwohl ich das Gefühl hatte, dass der gesamte Inhalt bereits ausgebreitet auf ihrem Nachbarsitz lag. "Hier", sie drückte mir ein Päckchen in die Hand, "gegen die Bevölkerungsexplosion." Ich starrte auf die Kondome. Und weil ich beinahe eine Woche nicht in Übung war, was ...