Blinde Weihnachten
Datum: 22.10.2021,
Kategorien:
Romantisch
Autor: Kastor Aldebaran
... gelegt worden war. Als Sehender kein großes Problem, etwas zu finden. Für einen Blinden eine gruselige Geschichte. Also setzte ich mich ein einen der Sessel und sah mich interessiert um.
Auch wenn es gemütlich aussah, war es hauptsächlich der Funktion geschuldet. Wenige Bilder hingen an den Wänden, vielleicht aus der Zeit, als Anna verheiratete gewesen war. Genauso wie die kleine Sammlung von Familienfotos die in einer Ecke standen. Ich betrachtete sie aus der Entfernung, konnte trotzdem gut erkennen, dass es sich um Verwandte handelte. Zwei Pärchen mit jeweils zwei Kindern. Die Frauen sahen Anna recht ähnlich, daher ging ich davon aus, dass es ihre Töchter waren. Ich brauchte nicht lange darauf warten, bis Anna zurückkam, zwei Teller vor sich her trug, die ich ihr abnahm. Darauf jeweils ein großer, gut riechender und dampfender Apfel, gefüllt mit Marzipan und Rosinen. Die Vanillesoße fehlte. Als ich Anna darauf ansprach, lächelte sie mich an.
Die Kinderversion oder die für Erwachsene?", wollte sie von mir wissen und ich entschied mich für das Zweite.
"Gut, da hintern in der Bar steht eine gute Flasche italienischer Eierlikör. Schmeckt doch viel besser!" Damit hatte sie natürlich recht. Ich stand auf, fand das Gewünschte sofort und kam an den Tisch zurück. Anna hatte sich inzwischen gesetzt und lauschte, als ich die Flasche öffnete, unsere Bratäpfel damit reichlich übergoss.
"Riecht lecker!", sagte ich und sog hörbar die Luft durch die Nase ...
... ein.
"Schmeckt auch so. Lass es uns probieren!"
Ich setzte mich zurück auf meinen Platz und nahm einen ersten Bissen, ließ mir den heißen Apfel mit dem Marzipan und Eierlikör auf der Zunge zergehen. Es war wie Butter mit einem kräftigen Geschmack von Apfel, dazu der Likör, der dem Ganzen eine wunderbare Note gab. Es war ein Gedicht und ich konnte mir gut vorstellen, warum ihre Familie daran festhielt.
"Na, wie war dein Abend gestern?", wollte ich natürlich wissen und Anna wischte sich die Lippen an einer Serviette ab.
"Schrecklich wie immer. Sie waren kurz hier, haben ihre Geschenke abgeholt und sind möglichst schnell wieder gegangen. Dieses Mal hatten sie endlich einen Grund, haben sich Sorgen darüber gemacht, dass ich krank werden könnte, wegen der Seuche. Dabei habe ich eher den Eindruck, als wenn sie nicht mich, sondern sich schützen wollen. Egal, sprechen wir von was anderem. Es ist es nicht wert, lange darüber zu reden. Was hast du Schönes gemacht?" "Nicht viel. Hauptsächlich fern gesehen!", gab ich zu.
"Seltsam. Du scheinst ein netter Mann zu sein, intelligent, zuvorkommend. Ich kann nicht verstehen, warum keine Frau in deinem Leben ist, oder Mann!", hängte sie mit an, als wenn sie damit ein Statement abgeben wollte.
"Nee, Frauen sind mir lieber!", gab ich sofort zu und Anna lachte.
"Ich wollte dir nicht zu nah treten. Mir ist die Ausrichtung eines Menschen egal. Es gibt wirklich Wichtigeres als das. Also, was stimmt mit dir nicht? Bist du hässlich oder ...