Laycastre 07 - Der ewige Wald
Datum: 22.01.2022,
Kategorien:
Sci-Fi & Phantasie
Autor: bypronstories
Noram erwachte. Sein Mund war trocken und pelzig, ein seltsamer Geschmack hatte sich darin festgesetzt. Die Augenlider klebten so fest zusammen, dass er sie zuerst gar nicht öffnen konnte. Stöhnend hielt er sich den schmerzenden Kopf.
"Guten Morgen, Schlafmütze!", zwitscherte es in sein Ohr. Er drehte sich um und sah in die schwarzen Knopfaugen eine Amsel, die ihn mit geneigtem Kopf ansah und wegflog.
Ächzend stand er auf. Seine Glieder waren steif und fühlten sich zerschlagen an. Er humpelte steifbeinig zum Waldrand und schlug sein Wasser ab. Sein Glied war klebrig und wund.
Zu seiner Freude fand er noch etwas Fleisch und Beeren auf dem Baumstamm. Das Fleisch war zwar kalt und feucht vom Tau und die Beeren welk, doch er stopfte alles gierig in sich hinein. Eine halbvolle Blüte mit Wein stieß er angewidert vom Stamm.
Gestärkt sah er sich um. Aus einer Richtung - er hatte schon längst aufgegeben, in Himmelsrichtungen zu denken - plätscherte ein Bach. Sofort meldete sich brennender Durst und Noram machte sich zum Bach auf. Auf dem Weg griff er sich den kräftigen Ast, mit dem er Mayelle vertrieben hatte, und schwang ihn versuchsweise ein paar Mal. Soll mir noch so eine kommen, dachte er bei sich. Rumschubsen oder aufhängen lasse ich mich sicher nicht mehr!
In langen Zügen trank er das kalte, klare Wasser des Bachs. Als er seinen Kopf erhob, sah er zwei zierliche, nackte Füße vor sich über den Wellen. Erschrocken sprang er auf, griff nach seinem Ast und erhob ihn ...
... drohend - doch er wurde mühelos von Klauen zerschnitten, die durch die Luft zischten. Noram ließ den kümmerlichen Rest fallen, wich gebeugt zurück und sah dabei zum ersten Mal die Fee richtig an, die ihn überrascht hatte.
"Du bist also das Menschlein, das unsere Kleinen so aufgebracht hat."
Auch sie war klein, aber ihr Gesicht strahlte eine Reife und Würde aus, die den anderen Feen abging. Die Klauen waren noch immer ausgefahren. Deutlich länger als die von Mayelle oder Lisindra schimmerten sie in einem häßlichen Schwarz-Braun. Der Körper unter dem engen, weißen Kleid war zierlich, aber an Brust und Hüfte stärker gerundet als bei den anderen Feen. Ein deutlich wahrnehmbarer Raubtiergeruch ging von ihr aus.
"Wer bist du?", fragte Noram.
"Keine dieser Halbstarken, mit denen du machen kannst, was du willst", antwortete sie und stellte eine Gegenfrage: "Was willst du hier im Laycastre-Wald?"
"Ich will hier gar nichts! Ich will nur wieder nach Hause!", antwortete Noram verzweifelt.
Die Fee zeigte ein Lächeln, bei dem er eine Gänsehaut am ganzen Leib bekam: Gelbe Zähne, spitz wie die der anderen Feen, aber länger und kräftiger.
"Dafür ist es zu spät, Menschlein. Du bist schon längst ein Teil des Waldes. Er wird dich nicht gehen lassen. Stirbst du, wirst du unter Qualen aus dem Feuer auferstehen. Immer und immer wieder. Doch jetzt, wo die jungen Feen Respekt vor dir haben, hast du unsere Aufmerksamkeit geweckt. Ich bin mir noch nicht sicher, ob du ihrer würdig ...