... freut mich Dich zu sehen! Ich darf doch noch Du zu dir sagen?" Sie reichte mir ihre zierliche Hand, schien nur oberflächlich gelangweilt.
"Ja klar, dürfen Sie! Ich bleibe bei der bewährten Anrede."
Ich lächelte sie ehrlich erfreut an, wollte oder durfte meine Freude aber nicht überschäumen lassen. Für meine Mutter waren wohl die jungen osteuropäischen Bauarbeiter am Nebengebäude wieder Interessanter. Sehen kann sie noch ganz gut.
An dieser Stelle muss ich jetzt wohl zum Verständnis sehr weit Ausholen. Also:
Wir wohnten damals in einem typischen Wohnkloo im Speckgürtel einer Großstadt. 16 unterschiedlich große Wohnungen, innen geräumige Appartements, aussen 3-Raum-Wohnungen. Der ganze Bau war um die Mittelachse gespiegelt, die gegenüber liegenden Wohnungen hatten also nur spiegelbildlichen Grundriss. Auch die Mieten waren damals für einen Alleinverdiener wie meinen Vater durchaus zu stemmen.
Es war ein Neubau, was schonmal einen gewissen Komfort für damalige Verhältnisse bot. Eben weil es ein Neubau war zogen auch alle Bewohner mit nur einem oder zwei Monaten Versatz fast gleichzeitig ein, was die Hausgemeinschaft recht harmonisch zusammenwachsen ließ. Niemand konnte sich auf vermeintlich ältere Rechte berufen, das Altersgefüge war passend. Innen wohnten überwiegend Singles und junge Paare, in den Aussenwohnungen fast nur Familien.
Wir bewohnten eine Drei-Raum-Wohnung. Wir, also mein Vater, meine Mutter, meine kleine Schwester und ich. Du wirst denken dass es ...