1. Blau


    Datum: 04.06.2024, Kategorien: Sonstige, Autor: katalina

    Eine kühle Brise richtete Härchen auf ihrer blassen Haut auf, die Gänsehaut, die sich bildete, hob jedes einzelne von ihnen dem tiefblauen Himmel entgegen. Hastig zog sich Natascha ihren Seidenschal über die nackten Schultern, hüllte sich darin ein, suchte Schutz vor der Kälte, die der aufkommende Wind mit sich brachte. Ängstlich sah sie sich um und erst als sie sicher war, keinen Verfolger zu entdecken, wagte sie, ihren Weg fortzusetzen.
    
    Selbst jetzt, als ihr die Flucht gelungen war, spürte sie noch diesen Kloß im Hals, garniert mit den schmerzenden Fingerabdrücken an ihrer Kehle, die dieser widerliche Kerl mit seinen dicken Fingern an ihr hinterlassen hatte.
    
    Wieder stieg dieses Würgegefühl in ihr hoch, als ihr das Bild der vergangenen Situation ins Bewusstsein stieg. Er hatte ihr aufgelauert, nachts in dem dunklen Park. Ja, er hatte sie vorgewarnt, immer wieder.
    
    Seine Anrufe waren ihr mit der Zeit schon fast zur grausamen Gewohnheit geworden. Wie er mit ihr sprach, so kalt, ruhig und fast flüsternd. Er beschrieb ihr in zärtlichsten Worten, wie er ihr die Kleider vom Leib reißen würde, seinen schweren Körper auf sie werfen würde.
    
    Anfangs hatte sie jedes Mal aufgelegt, als er anrief. Doch er ließ sich nicht abschütteln. Selbst ihre neue Geheimnummer hatte er schnell herausgefunden. Immer wieder beschrieb er ihr in widerlichsten Worten, was er mit ihr anstellen würde, wenn er sie in seine Finger bekommen würde. Es schien, als würde Natascha über die Monate hinweg ...
    ... abstumpfen, sie legte den Hörer einfach beiseite und versuchte seine Worte nicht mehr unter ihre Haut zu lassen.
    
    Er kostete sie viel Kraft und der Druck, den er auf sie ausübte, ging ihr an die Substanz. Sie war am Ende, sie wollte nicht mehr. Das Leben ergab für sie unter diesen Umständen keinen Sinn mehr. Sie verlor jede Lebenslust, jedes Interesse an ihrer Außenwelt. Nach und nach verlor sie ihre Freunde, sperrte sich in ihrer kleinen Wohnung ein und sammelte all ihre Kraft, um gegen diese Angst und gegen dieses Ungeheuer bestehen zu können. Und dann, dann war er plötzlich da gewesen.
    
    Sie war draußen spazieren, weil ihr die Enge ihrer vier Wände doch wieder einmal zu viel geworden war. Er kam von hinten, legte ihr die eine Hand auf den Mund und hielt ihr mit der anderen das Messer an die Kehle. Sie wusste auf Anhieb, dass er es war. Er hielt sich peinlich genau an sein eigenes Drehbuch, dass er ihr so viele Male säuselnd ins Ohr geflüstert hatte. Zitternd lief sie über die Gehsteige, bis sie endlich an ihre Wohnungstür gelangte. Sie schlüpfte durch die Tür. Es war gut, endlich wieder in den eigenen Wänden zu sein, hier fühlte sie sich wenigstens etwas sicherer. Sie verriegelte gewissenhaft alle Tür- und Sicherheitsschlösser und sank erschöpft die Wand entlang auf den Boden.
    
    Sie wusste, dass er sich dafür grausam rächen würde. Sie wusste, dass er nie wieder von ihr ablassen würde. Sie wusste, wie sehr er sie quälen würde, um diese Schmach zu tilgen. Und sie wusste, ...
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