Das rote Band für 'ne gute Freundin
Datum: 11.12.2018,
Kategorien:
Sci-Fi & Phantasie
Autor: byglheinz
... aber sie trug einen langen Mantel in dezentem dunklem Violett mit dunkelbraunem Pelzkragen und feste Stiefeletten. Ihre Figur war unter dem weiten Mantel nicht auszumachen, aber ließ doch eine große Oberweite und schmalere Hüften erahnen, denn sie war an der Taille sehr eng geschnürt.
Derartig dunkel und so wie zwei ungleiche Raben, die auf ihre Beute lauern, hatten die beiden am besagten Freitag vor der Einfahrt der Pension gestanden und auf ihre Verabredung gewartet. Ihre Verabredung wusste nichts von dieser Verabredung, die viktorianisch gekleidete Dame hatte ihre Macht genutzt, ihre Kräfte wirken, ihre Beziehungen spielen lassen und die weiteren Ereignisse für eine frivole Begegnung eingefädelt.
Als der nichts ahnende Herbert mit seinem Fahrzeug angebraust gekommen war, waren sie absichtlich stehen geblieben, um ihn in Augenschein nehmen zu können.
"Das soll mein Gockel sein, liebste Freundin? Das ist doch wohl nicht dein Ernst!", hatte Lucie aufbegehrt.
"Doch, doch, du wirst's schon sehen, wart's ab, vertrau' mir", hatte sie die kleinere Dame beschworen.
"Aber da kann ich mir doch jeden schöneren, geschmeidigeren Gigolo kaufen und muss mich nicht mit so einen alten Knacker abgeben. Der ist doch schon angezählt, sicher kurz vor sechzig", hatte Lucie nach einem kurzen Seitenblick schwach protestiert.
"Der ist jetzt gerade mal dreiundsechzig, nun zier' dich nicht so", hatte die rundliche Dame die Vermutung ihrer Freundin bestätigt. "Aber der", und ...
... dabei hatte sie mit ihrem Finger auf den ungeduldig hupenden Fahrer gezeigt, "der wird sich noch entwickeln, der wird noch dein Überflieger, dein Schwan des Jahres und hoffentlich der nächsten vielen Jahre. Den wirst du noch mit Freuden rein lassen und willst ihn nie wieder raus lassen! Und nun, nun sollten wir ihn durch lassen, damit er rein kann in unsere, seine Pension."
Als er mit aufheulendem Motor und durchdrehenden Reifen an ihnen vorbei gebraust war, hatte sich Lucie nicht beherrschen können und ihm nachgerufen: "Postpubertärer Knabe!" Die kleine Dame hatte gelacht und sich über diesen Ausruf diebisch-elsterlich gefreut.
Natürlich hatte auch sie ein Auto, mit dem sie angeben könnte, wenn sie es darauf anlegen würde. Ihr Fahrzeug stand vor der Pension "Waldfrieden" unter einem Apfelbaum, ein offener Sportwagen, sehr niedrig, mit großen Scheinwerfern auf den Kotflügeln, die die Frontkarosserie überragten. Kein Fuchsschwanz, aber ein rotes Band mit hellen Steinchen flatterte an der Antenne rechts vorn. Ihr Oldtimer war riesengroß - zumindest im Vergleich zur Besitzerin -- und mit roten Lederpolstern ausgestattet. Auf dem Schaltbrett gab es viele Knöpfe, Tasten und Hebel. Sie dienten dazu, die Eigenschaften des Zweisitzers zu verändern; zum Beispiel verwandelten sich die Ledersitze in ein Bett oder das Auto fuhr, besser flog durch die Luft, den Regenbogen hinauf und dann ab in einen kaleidoskopischen Himmel. Hinter der Frontscheibe, unterm Rückspiegel, baumelten zwei ...