1. Die Burg


    Datum: 20.04.2018, Kategorien: Sonstige, Autor: Aldebaran66

    ... zu schlucken, aber er blieb, wo er war.
    
    "Ihr seid der Erste seit Jahrhunderten, der mir Wärme bringen konnte, dem sich mein Herz öffnete. Ich spüre dieses wunderbare Gefühl, seitdem ihr hier seid, und bin entzweit in dem Gedanken, den letzten Schritt zu tun. Einen Schritt, der uns noch einmal näher bringt, aber zugleich auch trennen wird."
    
    Ihre Stimme war dabei immer leiser geworden, und obwohl es um uns herum dunkel war, konnte ich an dem feinen vibrieren in ihrer Stimme genau hören, wie es ihr gerade ging. Sie zitterte und dies übertrug sich auf ihren ganzen Körper.
    
    Ich konnte nicht anders, steckte meine Arme aus und sie flog mir geradezu entgegen. Sofort umschlangen wir uns so fest es nur ging und ich spürte ihren Körper ein weiteres Mal an mir. Er war aufgewühlt und das zuvor nur gehörte Zittern ging jetzt von ihr auf mich über.
    
    Minutenlang standen wir so da und konnten uns nicht mehr voneinander lösen. Ich kann nicht sagen, warum, aber ich hatte, es wohl zuvor immer verdrängt. Die Gräfin war für mich inzwischen auch mehr geworden. Ich genoss ihre Nähe, fühlte mich in ihrer Gegenwart wohl. Musste ich mich dann von ihr trennen, kam es mir so vor, als wenn mir etwas fehlte.
    
    "Kommt!", sagte sie auf einmal und löste sich von mir. "Ich werde euch etwas zeigen!"
    
    Sie nahm mich wieder bei der Hand und zog mich mit. Schnell waren wir auf dem Flur angekommen und wandten uns der Treppe zu. Wenig später kamen wir im Rittersaal an und traten vor den Spiegel, der ...
    ... jetzt eben nur ein Spiegel war. Er warf unsere Bilder zurück, genauso wie er es auch sollte.
    
    Während wir uns nun gegenseitig betrachteten, hob die Gräfin ihre Hand und legte sie gegen die Glasscheibe. Ich tat es ihr gleich, obwohl ich nicht wusste, warum.
    
    "Es ist nicht nur ein Spiegel wie Ihr wisst. Es ist zugleich ein einseitiges Portal, welches mir aber verschlossen ist. Ich kann nur hineinsehen, mir ist der Weg versperrt, aber Ihr könnt auf die andere Seite gelangen. Doch bedenkt, habt ihr den Weg genommen, könnt ihr nicht mehr zurück.
    
    Immer zum Vollmond kann jemand hinüberkommen, wenn dieses von dieser Seite und der anderen gewünscht wird. Nur dann ist es möglich."
    
    Ich fühlte das kalte Glas unter meiner Handfläche und konnte es eigentlich nicht glauben. Aber seitdem ich hier war, hatte ich so viel gesehen und erlebt, was nicht in ein Raster passte, dass ich es ebenfalls für möglich hielt.
    
    Dann drehte sich die Gräfin wieder zu mir und ich zu ihr. Beide sahen wir uns tief in die Augen und tragen wieder aufeinander zu. Unsere Lippen vereinten sich ein weiteres Mal. Es war mir klar geworden, dass ich diese Frau wollte. Sie war das Gegenstück zu mir und ich wollte sie nicht mehr verlieren.
    
    Doch je länger ich darüber nachdachte, umso deutlicher trat hervor, dass ich sie nicht festhalten durfte. Hatte ich mir zuvor noch gedacht, einfach den letzten Weg nicht zu gehen, würde dieses fatale Folgen haben. Wir hätten zusammenleben können, aber ich würde älter werden und ...
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