Die Burg
Datum: 20.04.2018,
Kategorien:
Sonstige,
Autor: Aldebaran66
... sie nicht. Ich als Letzter meiner Familie war aber ihre einzige Möglichkeit für sie, Frieden zu finden.
Ich hatte also nicht das Recht, sie festzuhalten, durfte nicht egoistisch sein und nur an mich denken.
"Wann?", fragte ich leise in den Raum und dieses Mal lag in meiner Stimme ein Zittern. "Wann werden wir den letzten Schritt gehen?"
Die Gräfin löste sich soweit von mir, dass wir uns gegenseitig ansehen konnten.
"Es gibt keine Zeit. Ob jetzt, heute oder in zwanzig Jahren spielt keine Rolle. Wir müssen es nur wollen. Seid ihr dazu bereit? Ich bin es seit einer sehr langen Zeit!"
Ich wusste genau, wenn ich es jetzt nicht tun würde, dann niemals. Ich würde versuchen einen Weg zu finden, mit ihr zu leben, ohne diesen Schritt zu gehen, aber es würde nicht gehen. Es würde sie nicht glücklich machen, und wenn sie es nicht war, konnte ich es ebenfalls nicht sein.
Darauf vorbereitet war ich nicht, aber ich fragte mich gleichzeitig, ob ich das jemals sein konnte. Also hieß die Devise eigentlich, Augen zu und durch. So einfach war es.
Ich sah sie an und mir wurde etwas nebelig oder besser gesagt, schwindelig. Die Entscheidung wollte ich trotzdem nicht mehr aufschieben. Also nickte ich nur, ohne mir darüber wirklich im Klaren zu sein. Vielleicht war es einfach besser so.
"Kommt in einer Stunde auf den Friedhof. Ihr werdet mich dort finden."
Dann ließ sie mich auf einmal los und verschwand mit schnellen Schritten aus dem Saal.
Ich habe in meinem Leben ...
... niemals darüber nachgedacht, was eine Stunde ist. Sechzig Minuten aufgeteilt in ebenfalls sechzig Sekunden. Warum diese Anzahl konnte, ich nicht sagen, aber dass das Empfinden von Zeit variierte, das wurde mir jetzt mehr als bewusst.
Die Zeit schlich nur dahin und ich meinte, sie würde nicht vergehen. Aber ich hielt es solang aus, wie mir gesagt worden war. Nicht eine Minute früher ging ich los.
Es war mehr als dunkel, und da mich die Gräfin dieses Mal nicht führte, stolperte ich mehrmals, fiel aber zum Glück nicht hin. Nur undeutlich erkannte ich den Weg, dafür aber das Ziel umso mehr, denn das eigenartige Leuchten, was ich schon kannte, lag wieder vor mir. Allerdings glaubte ich, dass es heller war als zuvor. Es war so ausgeprägt, dass sich eine Lichtkuppel über den Friedhof wölbte.
Erst als ich um die Biegung kam, konnte ich erkennen, warum es so war.
Die einzelnen Gräber leuchteten unheimlich hell, als wenn sie von innen angestrahlt wurden und die Steine durchlässig waren. Als ich dann bei den ersten Steinen ankam, nahm ich auf einmal Bewegungen wahr. Ich blieb stehen und meinte Gestalten durch die Steine hindurch kommen zu sehen, die sich vor den Gräbern verdichteten. Nur wenig später standen vor den Gräbern aufgereiht leuchtende Wesen, die ihr Licht zu dem allgemeinen dazusteuerten. Es wurde noch heller als zuvor.
Diese Wesen standen förmlich in einer Art Spalier und drehten ihre Köpfe in meine Richtung. Sie sahen mich an, ohne sich weiter zu bewegen. Dann ...