Spieglein, Spieglein ...
Datum: 25.08.2019,
Kategorien:
Sonstige,
Autor: Aldebaran66
... einen laufenden Elektromotor legte. Feine, unheimlich schnelle Vibrationen. Wieder zuckte ich zurück und war der Meinung, dass die Scheibe bei diesen dauerhaften Vibrationen zerspringen müsste, aber ich hörte nichts dergleichen. Es war vollkommen still und ich hätte nicht sagen können, dass überhaupt ein Geräusch erklang..
Mehrfach überlegte ich, ob ich jemandem von meiner Entdeckung erzählen sollte, aber letztendlich ließ ich es bleiben. Ein großer Teil der Menschen hätte mir nicht geglaubt und mich als Spinner abgetan. Die anderen hätten sicher versucht, mir den Spiegel wegzunehmen. Immerhin wäre er für die Wissenschaft interessant gewesen.
Als Nächstes überlegte ich mir, was ich tun konnte oder sollte. Da kam mir eine seltsame Idee. Wenn ich die Menschen nur verstand, wenn ich die Sprache rückwärts laufen ließ, war es doch nur zu verständlich, wenn ich es lernte. Also fing ich damit an, immer wieder die geläufigsten Wörter rückwärts zu sagen. Dabei wurde es für mich fast ein Sport, immer kompliziertere Wörter zu wählen. Dabei machte ich inzwischen die Augen zu, konnte das entsprechende Wort in Druckbuchstaben geschrieben sehen und musste es nur noch rückwärts ablesen. Eine Krücke, aber immerhin gelang es so am besten.
Was mit den Wörtern funktionierte, probierte ich anschließend in ganzen Sätzen. Zu meinem Erstaunen lernte ich es in drei Wochen. Solange ließ ich den Spiegel links liegen und schwor mir erst wieder hineinzuschauen, wenn ich es einigermaßen ...
... konnte.
Eins gelang mir allerdings nicht so gut. Ich machte einen Versuch, nahm mich selber auf, wenn ich rückwärts sprach, und spielte es richtig herum wieder ab. Es klang sehr seltsam, da ich die Worte falsch betonte. Die Phonetik der Worte war falsch. Wenn ich normalerweise meine Stimme anheben musste, war es hier anders herum. Sich dies anzugewöhnen war mehr als schwer. Bis ein einigermaßen verständlicher Satz dabei rauskam, dauerte es noch länger als gehofft.
Die ganze Zeit lang drängte es mich zum Spiegel zu gehen, aber ich hielt durch, wollte meinen inneren Schweinehund bezwingen. Wie bei den Zigaretten gelang es mir. Auch wenn es mich noch mehr Überwindung kostete, als bei den Glimmstängeln. Die Neugierde war enorm.
Eines Tages war es soweit. Ich glaubte genug zu können, um zumindest vieles Verstehen zu können. Ich holte mir einen bequemen Stuhl, schob ihn vor den Spiegel und schaltete das Licht aus.
Sofort war alles in undurchdringliche Finsternis getaucht und ich wartete auf das, was geschehen sollte.
Um es vorwegzusagen, es geschah gar nichts, überhaupt nichts. Jedenfalls die ersten Stunden nicht. Ich beugte mich vor, spürte die Vibrationen der Scheibe, die warm war, aber sonst geschah nichts.
Das Einzige, was passierte war, dass ich einschlief. In der Dunkelheit und Ruhe schlossen sich meine Augen wie von selbst und ich sackte im Stuhl in mich zusammen. Ich erwachte erst wieder, als etwas an meine Ohren drang. Innerlich war ich anscheinend darauf ...