1. Spieglein, Spieglein ...


    Datum: 25.08.2019, Kategorien: Sonstige, Autor: Aldebaran66

    ... macht ihr dort in dem Spiegel?"
    
    Ich überlegte einen Moment und war mir nicht klar darüber, was ich antworten sollte. Die Wahrheit war mir zu banal und würde keinen Spaß machen. Mich ritt also der Schalk und ich meinte nur lapidar: "Ich wohne hier!"
    
    In dem Sinne hatte ich nicht gelogen. Gut, ich wohnte nicht im, sondern auf der anderen Seite des Spiegels, aber das musste ich ihr ja nicht sagen. Kam es mir doch selber noch mehr als seltsam vor.
    
    Klaras Blick sagte dazu einiges. Ihre Stirn kräuselte sich ein wenig und ich konnte ihr geradezu dabei zusehen, wie sie nachdachte. Es erschien ihr wohl unlogisch, wobei man hier sicher nicht über Logik sprechen konnte.
    
    Das alles dauerte nur wenige Sekunden und plötzlich hellte sich ihr Gesicht auf: "Könnt ihr dort herauskommen oder ich hinein?"
    
    Diese Frage hatte ich weder erwartet noch mir jemals gestellt. Es waren wirklich interessante Fragen, auf die ich keine Antwort hatte.
    
    "Ich weiß nicht!", antwortete ich unsicher, denn ich hatte ja noch nicht einmal einen Versuch gemacht, obwohl der mir schon im Ansatz seltsam vorkam. Dabei war es gar nicht so weit hergeholt. Immerhin unterhielt ich mich gerade mit jemandem, der sich auf der anderen Seite des Spiegels befand. Vor nicht alt zu langer Zeit hätte ich ja selbst das für vollkommen unmöglich gehalten.
    
    Plötzlich drehte Klara ihren Kopf zur Seite und meinte in mit einer sehr leisen Stimme: "Ich muss weg, ich komme aber in fünf Stunden wieder!"
    
    Die Antwort, ob ich ...
    ... dann auch wieder da sein würde, wartete sie nicht mehr ab. Stattdessen verließ sie sofort ihre jetzige Position und verschwand zur Seite weg. Was sie dazu veranlasst hatte, so plötzlich aufzubrechen, konnte ich nicht gleich sehen. Erst eine halbe Minute später kamen ein paar Menschen in meinen Blickwinkel, die anscheinend den Saal in Augenschein nahmen. Da sie alle durcheinander sprachen, konnte ich sie kaum verstehen, aber an der Art, wie sie immer wieder ihre Arme ausstreckten und mit einem Finger hier und dorthin deuteten, war es wohl die richtige Erklärung.
    
    Es war verständlich, dass Klara nicht vor dem Spiegel stehen blieb und sich weiter mit mir unterhielt. Es hätte wirklich seltsam ausgesehen.
    
    Fünf Stunden. Eine lange Zeit, wenn man nichts zu tun hat und nichts passierte. Da aber nichts wirklich Interessantes im Gange war, verrichtete ich in der Zeit einige wichtige Dinge des Lebens. Essen, duschen und mehr. Ich hatte Hunger und fühlte mich ein wenig stinkig. Bei dem Programm was man mir bot war das auch nicht verwunderlich. Man vergaß vieles was man eigentlich hätte tun müssen. Jetzt hatte ich Zeit dafür. Außerdem wollte ich noch eine kleine Mütze voll Schlaf nehmen. Es würde sicher für drei oder vier Stunden reichen. Dann würde ich wieder pünktlich meinen Platz einnehmen.
    
    Pünktlich, um nicht zu sagen, sehr pünktlich, saß ich auf meinem Beobachtungsposten und wartete auf Klara. Zuerst geschah nichts, denn der Saal war leer und ich konnte nur schlecht sehen, ...
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