Spieglein, Spieglein ...
Datum: 25.08.2019,
Kategorien:
Sonstige,
Autor: Aldebaran66
... würde auch alles geben, was ich hatte, aber das wollte ich natürlich nicht verraten.
Ich nannte mein Angebot und wusste sofort, dass ich zu hoch geboten hatte. Sicher war es mehr, als der Mann gedacht hatte, denn ein feines, hintergründiges Lächeln zog sich für Sekundenbruchteile über sein Gesicht.
Doch er war Geschäftsmann, witterte noch fettere Beute. Also begann das alte Spiel des Feilschens. Argumente für und gegen den Kauf wurden gegeneinander abgewogen, bis wir uns einigten. Blieb die Frage, ob der andere Käufer noch erscheinen würde. Von ihm war nichts zu sehen.
Der Verkäufer sah nach links, dann nach rechts und meinte trocken: "Ich glaube, ich habe lange genug gewartet. Ich wollte sowieso Schluss machen. Wenn sie mir helfen, bringe ich ihnen das gute Stück bis vor die Haustür. Es ist nicht gerade leicht. Zwei Männer werden dafür gebraucht. Ich habe ihn aus dem Wagen bekommen, weil mir der Herr neben mir geholfen hat. Also, wie ist es?"
Ich habe noch niemals in meinen Leben, so schnell gearbeitet, wie hier. Nur zehn Minuten später war alles verstaut und wir saßen nebeneinander im Wagen. Er hatte mir angeboten mich mitzunehmen und ich willigte sofort ein. Immerhin kam ich umsonst nach Hause und konnte mit dem Mann zusammen den Spiegel gleich ins Haus bringen. Mehr Service ging nicht.
Als wir abfuhren, konnte ich im Rückspiegel noch sehen, wie ein Mann hinter dem Wagen herrannte, wobei er ein kleines Bündel Geldscheinen in der Hand hielt und damit ...
... herumwedelte. Pech gehabt.
Ich grinste in mich hinein und bemerkte, wie mein Nebenmann ebenfalls zufrieden lächelte. Er hatte alles im Rückspiegel gesehen.
Wenig später waren wir bei mir Zuhause. Es war nicht leicht den Spiegel bis in meine Werkstatt zu schleppen, aber mit vereinten Kräften schafften wir es.
Der Verkäufer sah sich in meiner Werkstatt ein wenig um, nickte mit dem Kopf und meinte: "Hier wird er es sicher gut haben. Ich sehe schon, dass sie sich kümmern. Wäre schön, wenn er in neuem Glanz erstrahlen würde. Er hätte es verdient!"
Dann drehte er sich zum Spiegel, sah ihn sich noch einmal an, strich sanft über den Rahmen und meinte so leise zu ihm, dass ich es kaum verstand: "Machs gut alter Freund. Ich werde dich vermissen!"
Was er damit meinte, wusste ich nicht, fand es etwas seltsam. Dabei musste ich mir allerdings eingestehen, dass ich auch ab und zu mit meinen Pflanzen oder Möbeln redete. Von daher nichts Ungewöhnliches. Vielleicht war es ein Stück, was den alten Mann sein ganzes Leben begleitet hatte und er jetzt nicht mehr gebrauchen konnte. Dabei sah ich ihn in ein Altenheim ziehen, in dem er keinen Platz mehr hatte. Nur eine Geschichte, wie ich sie mir öfters ausgedacht hatte. Fantasie halt. Was die wirklichen Beweggründe waren, konnte ich natürlich nicht sagen und hielt es für unangemessen, zu fragen.
Wenige Sekunden später wendete sich der Mann von dem Spiegel ab und ich meinte, eine kleine Träne seine Wange entlang laufen zu sehen. Dann ging ...