1. Erinnerungen 03


    Datum: 09.09.2019, Kategorien: Sci-Fi & Phantasie Autor: byErelyn

    ... mit dem Finger schnippte, hatte er eine durchtrainierte Gestalt. Selbst unter dem aufbauschenden Gewand waren seine breiten Schultern zu erkennen, sein kräftiger Oberkörper machte klar, dass er eigentlich keine Wachen vor der Tür benötigte.
    
    „Wir wissen beide, warum sie hier sind, also können wir uns den Teil sparen", begann er.
    
    Seine tiefe Bassstimme schien den Raum zum Schwingen zu bringen, hallte in ihr wieder, wie ein Glockenschlag.
    
    „Entschuldigung, ich vergaß, mich vorzustellen: Mein Name ist Uriel Rolan, zurzeit im Amt des persönlichen Verwalters von König Luarek."
    
    Sie starrte gebannt auf seine Bewegungen. Er umrundete sie, wie dies eine Raubkatze tut, blieb dann vor ihr stehen, sah ihr direkt in die Augen, sodass sie außerstande war, sich zu rühren. Sein Auftreten fesselte sie. Wenn es jemanden gab, der den Ausdruck Legende verdiente, dann war er es. Er brauchte sie nur anzusehen, damit sie sich kleiner als ein Sandkorn fühlte.
    
    „Es ist üblich, dass auch der Andere sich daraufhin vorstellt", fuhr er mit einer Stimme fort, die vollkommen bar jeder Emotion war. Er war sich bewusst, dass allein seine Stimme ausreichte, um sie seinem Willen zu beugen. Noch immer war sie unfähig zu reagieren, suchte vergeblich nach einer Möglichkeit der Kraft seiner Ausstrahlung zu begegnen, ohne nach jedem Wort Luft holen zu müssen.
    
    „Was ist? Ich könnte dafür sorgen, dass du bis ans Ende deiner Tage in einer kalten Zelle verbleibst, was ich hier tue, ist reine ...
    ... Gefälligkeit."
    
    Noch nicht einmal auf seinem Gesicht war in irgendeiner Form eine Regung zu erkennen, sogar seine Lippen bewegten sich beim Sprechen nur wenige Millimeter.
    
    Ein Gedanke schoss ihr durch den Kopf, warum er nicht schon längst auf dem Thron saß. Dann durchfuhr sie ein Schauer, als sie darüber nachdachte, was Luarek für eine Macht besitzen musste, um jemanden wie Uriel Rolan zu seinem einfachen Verwalter erklären zu können.
    
    Dennoch, so kurz davor durfte sie ihr Ziel nicht vergessen. Diese letzte Gefälligkeit war sie ihrem alten Leben schuldig. Den Menschen, die sie einmal Freundin genannt hatten.
    
    „Man nennt mich Elven", log sie. Solch ein Name war hier einigermaßen häufig: So hatte sie die Möglichkeit gehabt, mit diesem Namen bereits seit mehreren Wochen durch das Land ziehen zu können, ohne sich vor unliebsamen Überraschungen fürchten zu müssen oder unangenehme Fragen beantworten zu müssen.
    
    „Elven D'Naily", ergänzte sie, als ihr einfiel, dass auch er sich mit vollem Namen vorgestellt hatte.
    
    „Schön, ihr wollt mir euren Namen also nicht verraten. Nun gut, ihr werdet eure Gründe haben, ihr werdet aber verstehen, dass es mich in eine missliche Lage bringt."
    
    Für einen Augenblick wollte sie ihren Namen wiederholen, bis ihr auffiel, dass seine Stimme ein klein wenig leiser geworden war, kaum hörbar, aber dennoch eindeutig spürbar. Er hatte sie sehr wohl verstanden, ging auf ihre Lüge jedoch betont nicht ein. Eigentlich war sie keine so üble Lügnerin, aber wenn sie ...
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