1. Erinnerungen 03


    Datum: 09.09.2019, Kategorien: Sci-Fi & Phantasie Autor: byErelyn

    ... nachdachte, machte diese Vorgehensweise jedoch durchaus Sinn. In den Augen der Umstehenden war sie nichts weiter als eine Unruhestifterin. Das Protokoll sah wahrscheinlich vor, dass der Verwalter sie in eine Zelle schicken würde, wo sie so lange hungernd bleiben würde, bis sich jemand dazu herabließ, sich mit ihrem Fall zu befassen. Was aller Wahrscheinlichkeit nach nicht passierte, bevor sie entweder erfroren, verdurstet, verhungert oder auf andere Art die Welt der Lebenden verlassen hatte. Eine zugegebenermaßen recht effektive Methode, sich nerviger Diebe, politischer Gegner und Unruhestiftern wie ihr zu entledigen, ohne viel Aufsehen zu erregen.
    
    Sie konnte ein Lächeln nicht verhindern, als die Wachen mit einer Handbewegung hinausgeschickt wurden, was ab diesem Punkt offensichtlich nicht länger der normalen Vorgehensweise entsprach. Jedenfalls zeigten drei von ihnen einen verwunderten Gesichtsausdruck, der jedoch zwei Sekunden später bei einem zu einem wissenden Grinsen wurde. Betont langsam entfernten sie sich, sie hörte wie der Junge, der die Bittsteller sonst hineinließ, ein paar Worte mit einem von ihnen wechselte. Dann schloss sich die Tür mit einem lauten klicken und sie war alleine mit dem Verwalter.
    
    Der Mann hinter dem viel zu großen Schreibtisch war deutlich jünger als sie erwartet hatte, er zählte auf keinen Fall mehr als 35 Winter. Seine blauen Augen musterten sie mit gewohnter Selbstsicherheit, dazwischen erhob sich eine schmale Nase. Sein beinahe ...
    ... farbloser Mund hob sich kaum von der für Hofbedienstete üblichen blassen Hautfarbe ab. Volles, dunkelbraunes Haar ließ gerade noch den Blick auf eine breite Narbe frei, die seine schmale Stirn von einer Seite zur anderen überzog. Nicht einmal ein Blinzeln erlaubte er sich. Wäre er nicht vollkommen glattrasiert und in ein mit Goldfäden überzogenes Gewand gehüllt, sie hätte ihn gefragt, ob es sich wirklich um den Mann handelte, für den sie ihn hielt.
    
    Die Zeit schien zu kriechen, in der er sie unablässig mit seinem raubtierartigen Blick musterte, wie ein Löwe seine Beute. Dieser Mann hatte mitnichten sein gesamtes Leben hier verbracht. Ohne es zu wollen, musste sie ihm Respekt dafür zollen, dass er einer der wenigen war, die sich eine solche Position in so jungen Jahren offensichtlich verdient hatten. Es schmolz allerdings ihre Chancen auf ein gefühltes Minimum, wie geplant durch ein paar geschickte Andeutungen schon zum König zu kommen.
    
    Ohne ein Wort zu sagen stand er auf und begann sie zu umrunden, mit scheinbar nachdenklichem Blick, jedoch auf jede noch so kleine Bewegung aufmerksam achtend. Wäre sie ihm unter anderen Umständen begegnet, sie wäre wohl nicht umhin gekommen, ihn als durchaus attraktiv zu bezeichnen. Im Gegensatz zu ihrer Erwartung und den königlichen Verwaltern, die bisher das Pech gehabt hatten, ihr zu begegnen, trug er ganz und gar nicht so viel Fett mit sich herum, dass jedes Rind vor Neid erblasste. Obwohl er offensichtlich beinahe alles bekam, in dem er nur ...
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