1. Heißer Herbst 01


    Datum: 28.04.2018, Kategorien: Romane und Kurzromane, Autor: byhelios53

    ... die Tränen pochten schon an den Augen, aber jetzt zu weinen, wäre die ultimative Niederlage gewesen. Ein Indianer kennt keinen Schmerz und eine Squaw schon gar nicht.
    
    Als sie aber die paar Schritte zu den Mopeds, die da noch immer im Steilhang lagen, gehumpelt waren, brach die eiserne Selbstbeherrschung mit einem Schlag zusammen. Das Entsetzen griff eiskalt nach ihren tapferen, kleinen Mädchenherzen. „Oh, nein!", schrie Susi auf, „mein Bruder bringt mich um, wenn er das sieht." Und Tränenströme mischten sich mit Blut und Dreck auf ihren hübschen Wangen.
    
    Auch Sabine erbleichte und sank mit einem gequälten Aufschrei zu Boden. „Was meinst du, wie es mir geht? Die gehört auch meinem Bruder und ich habe ihn nicht einmal gefragt, ob ich sie haben darf. Er hätte sie mir ja sowieso nie geliehen!" Und auch bei ihr flossen die Tränen nun ungehemmt.
    
    Tröstend fielen sie sich in die Arme und heulten ein Weilchen wie die Schlosshunde. Dann schniefte Sabine trotzig. „Was nun? Es kommt ja sowieso raus. Was können wir tun?"
    
    „Fahren können wir nicht mehr, nicht einmal schieben. Wir müssen sie abholen lassen. Wo wohnt ihr denn?"
    
    Sabine sagte es ihr. Susi nickte. „Kenn ich, ist gar nicht weit von uns weg, aber wir sind näher. Bruno, mein Bruder ist wahrscheinlich zu Hause, also bringen wir es zuerst ihm bei."
    
    „Wir?"
    
    „Ja, wir! Mitgegangen, mitgefangen. Das mitgehangen wollen wir lieber vergessen. Du musst unbedingt mitkommen. Du bist blond und gar nicht so hässlich. Mein ...
    ... Bruder steht auf blond. Das könnte ihn ein wenig ablenken und wenn wer dabei ist, macht er immer auf obercool. Da rastet er vielleicht nicht ganz so aus. Ich komm dann dafür mit zu deinem Bruder, wenn du glaubst, dass es hilft."
    
    „Hm, das könnte sein. Du schaust ja ein bisschen exotisch aus mit den schwarzen Locken. Gemessen an den französischen Weibern, bei denen er immer Stielaugen gemacht hat, schneidest du super ab. Dann versuchen wir doch mal, uns ein wenig herzurichten."
    
    „Bloß nicht! Wir können jedes Quäntchen Mitleid brauchen. Eher schmieren wir uns noch ein wenig mehr Blut ins Gesicht."
    
    „Geil! Du hast's echt drauf! Wir könnten ein super Team werden. Wie alt bist du eigentlich? Ich werde im November vierzehn."
    
    „Ich schon im September, in der letzten Woche. Mir scheint, wir haben eine ganze Menge Gemeinsamkeiten. Das Alter, einen Bruder mit Moped, oder jetzt nicht mehr mit Moped, einen leichten Hang zu Verbotenem, eine Vorliebe für ausländische Flüche. Wer weiß, was noch?"
    
    Im Laufe der nächsten Stunde, die die beiden Mädchen langsam und einander stützend in Richtung Ovenbuch hinkten, wobei die Langsamkeit weniger ihrem lädierten Zustand als dem Bammel vor den brüderlichen Tobsuchtsanfällen zuzuschreiben war, die sie sich in den blutigsten Farben ausmalten, entdeckten sie noch eine wahre Fülle von Parallelen. Immer wieder setzten sie sich auf eine Bank, einen Holzstamm oder auch nur den Wegrand und tauschten Erfahrungen aus: beide kamen jetzt in die achte ...