In der Nähe so fern
Datum: 23.10.2019,
Kategorien:
Verschiedene Rassen
Autor: byAuden James
... neigt er den Kopf, bereit, sie wieder zu küssen. Sein Mund fand die zarte, empfindliche Haut ihres Nackens, ein kleines Stück unter ihrem Ohrläppchen.
»Paul«, wiederholte sie. »Du musst nach Hause gehen.«
Er wich zurück, um ihre Augen zu studieren, unsicher, was er sagen sollte.
»Unsere Eltern fragen sich bestimmt schon, wo wir bleiben«, sagte sie bedrückt. Die Erwähnung der Eltern erinnerte sie beide an die Aussichtslosigkeit der Situation an diesem Abend. Keiner von beiden hatte seine eigene Wohnung.
»Okay.«
Sie lösten widerwillig ihre Umarmung, noch leise keuchend von ihrer Begegnung.
***
Providence
25. Sept
Ich hasse mehr als alles andere, dass A mich belogen hat. Ich hätte nie gedacht, dass ich eines dieser idiotischen Mädchen sein würde, die dem Scheißgelaber eines Kerls Glauben schenken, wenn er sagt, er wolle den Rest seines Lebens mit einem verbringen. Zwei Jahre meines Lebens: verloren. Die Tatsache, dass ich über die Trennung nicht mal weinen kann, ist eine Beschämung. Das Ganze ist völlig sinnlos gewesen.
Aiko hielt inne, schrieb dann weiter.
Mein einziger Trost ist die Tatsache, dass ich A genauso benutzte, wie er mich benutzte. Ich sorgte dafür, dass er es wusste, und er tut's. Ich bin sicher, er weiß auch, dass ich seine Arbeiten hasse. Er weiß, er war nur gut für den Fick.
Sie schlug das Tagebuch zu und warf es auf den Nachttisch, als wäre sie von heftigem Ekel erfasst.
Zwei Wochen waren seit ihrer Rückkehr ins Wohnheim ...
... in Providence vergangen. Sie hasste sich selbst dafür, die Einträge auf diese Weise fortzusetzen, aber sie nagten an ihrer Hirnmasse, wenn sie sie nicht herausließ. Vielleicht war das ihre Art der Trauer, dachte sie. Jeder Buchstabe war eine Träne, die zu vergießen sie nicht über sich bringen konnte, aber ziemlich leicht zu Papier zu bringen war.
Aiko betrachtete ihren kleinen Schlafraum, erleichtert dessen einziger Bewohner zu sein. Sie konnte ihre Zimmergenossin in der Küche das Frühstück vorbereiten hören.
Es musste sein. Sie wappnete sich und stand auf, um ihre Sachen für den Unterricht einzusammeln. Ihr Telephon surrte. Sie schob es auf und wurde mit einer Nachricht von Hannah konfrontiert.
Paul ist von zu Hause weg, heute Morgen, ich vermute, um dich zu finden. Ruf mich an, falls du ihn siehst.
Sie starrte ausdruckslos auf den Bildschirm. Die Ereignisse an jenem Abend vor drei Wochen fluteten wieder über sie mit voller Wucht. Sie setzte sich zurück aufs Bett, das Telephon in der Hand gegen ihre Brust gepresst. Ein unbegreifliches Bündnis aus Freude und Entsetzen fiel über ihre Gedanken her.
Ich bin nicht bereit.
Sie seufzte.
Ich kann das nicht!
Wie aufs Stichwort regte sich ihr Telephon erneut, laut klingelnd an ihrer Brust. Sie zitterte vor Schreck.
»… Paul?«
»Jepp, der bin ich!« Seine unbeschwerte Stimme brachte sie völlig durcheinander.
»Wo – wo bist du?«
»In einem Bus, der Providence ansteuert.«
Sie fühlte sich benommen. »Wann ...