1. Die zweite Chance


    Datum: 25.04.2020, Kategorien: Romane und Kurzromane, Autor: byswriter

    ... tot?"
    
    Der kleine Kerl grinst schief und mustert mich oberlehrerhaft. „Ich weiß ja auch nicht, nach welchen Kriterien die ihre Leute aussuchen, aber ich nehme mal an, du hast gewisse Qualitäten, die sich nutzbringend einsetzen lassen."
    
    „Wer sucht aus und zu was soll ich eingesetzt werden?", frage ich ungläubig nach.
    
    „Dann werde ich dir jetzt mal die Augen öffnen", verspricht mein ungeliebter Gesprächspartner. „Du bist hier am Nordpol und mein Chef ist der Weihnachtsmann."
    
    Ich glaube ihm nicht, lasse ihn aber weiter reden.
    
    „Du hast ja sicherlich davon gehört, dass der Typ im roten Mantel und mit dem weißen Bart viele Helfer hat."
    
    „So wie dich?"
    
    „Ich würde mich nicht als Helfer bezeichnen", erklärt mir Gibron nicht ohne Stolz in der Stimme. „Ich nehme eine wichtige und tragende Rolle in diesem System ein, aber das tut nichts zur Sache ... Auf jeden Fall beschäftigt der Chef auch andere Mitarbeiter als Elfen und Rentiere. Und nun kommst du ins Spiel."
    
    „Da bin ich ja mal neugierig."
    
    „Hast du als Kind Wunschzettel an den Weihnachtsmann geschrieben?", fragt er mich direkt.
    
    Ich reagiere mit einem Achselzucken. „Kann schon sein. Ist ja auch eine Weile her."
    
    „Wir bekommen etliche Wunschzettel jedes Jahr. Aber auch Briefe und in letzter Zeit Mails und dieses blödsinnige WhatsApp. Aber man muss halt mit der Zeit gehen", berichtet mir der Elf. „Darüber hinaus gibt es auch Wünsche, die nicht niedergeschrieben werden, aber in den Köpfen der Menschen umher ...
    ... schwirren."
    
    „Und wie wollt ihr von den geheimen Wünschen der Menschen erfahren?", frage ich skeptisch nach.
    
    „Glaubst du etwa, nur die Menschen haben eine Behörde wie die NSA?"
    
    Ich stelle mir spontan kleine Elfengeheimagenten vor, die illegale Abhörmethoden benutzen, um den Menschen ihre persönlichsten Geheimnisse zu entlocken. Das ist doch alles ein riesiger Blödsinn hier!
    
    Gibron fährt fort. „Du hast dir sicherlich auch schon etwas gewünscht, was nicht in Erfüllung gegangen ist, weil die Umstände einfach nicht gepasst haben. Und nun kommen wir ins Spiel und versuchen, einzelnen Menschen, die es verdient haben, also ganz bestimmt nicht Typen wie du, ihre speziellen Wünsche zu erfüllen."
    
    Ich fühle mich beleidigt. Warum sollte ich nicht würdig sein, vom Weihnachtsmann beschenkt zu werden? Ich sehe die Situation entspannt, da es sich ohnehin nur um ein großes Missverständnis handeln kann. „Und was für Wünsche sollen das sein?"
    
    „Das ist natürlich unterschiedlich", gibt mir Gibron Auskunft. „In der Regel handelt es sich nicht um materielle Wünsche. Wenn sich jemand einen Sportwagen wünscht, stellen wir den ganz bestimmt nicht vor die Tür des Wunschstellers."
    
    „Sondern?"
    
    „Es handelt sich vielmehr um Gefälligkeiten, sehnlichste Herzenswünsche, unausgesprochene Sehnsüchte."
    
    „Seid ihr Typen dafür nicht ein bisschen spät dran ...? Weihnachten ist ein halbes Jahr her.", frage ich belustigt nach.
    
    „Hast du überhaupt eine Ahnung, wie viel wir zu tun haben?", ...
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