1. Deus ex machina Teil 07


    Datum: 28.08.2020, Kategorien: Sci-Fi & Phantasie Autor: byUnfein

    ... Dicke von Stecknadeln.
    
    An jedem einzelnen dieser Äste hingen größere und kleinere, in allen Farben des Spektrums leuchtende Früchte, die vermutlich als Informationsspeicher dienten. Zwischen den Ästen spannten sich, in jede erdenkliche Richtung eine unermessliche Anzahl hauchdünner Fäden, die die Datenspeicher miteinander verbanden.
    
    Dies mussten die im Laufe der Jahrzehnte verknüpften Synapsenverbindungen aus der Gesamtheit aller Lernprozesse sein, vermutete die Androidin. Sie bildeten die Grundlage für Intellekt, Psyche, Sozialverhalten und vielem mehr, was das Ego des Menschen und seine Interaktion mit der Umwelt ausmachte. Zwischen ihnen schossen überall Kaskaden von winzigen Funken hin und her.
    
    Selen stellte erstaunt fest, dass ein lebendes, aktives menschliches Gehirn wunderschön war.
    
    Ein solch grandioses, ästhetisches Wunderwerk der Natur hatte sie nicht erwartet. Und dabei war die Professorin noch im Zustand der Betäubung.
    
    Wie mochte es hier erst zugehen, wenn sie wach und geistig aktiv war, sie sich einer komplexen Aufgabe widmete? Vermutlich war es ein gigantisches Feuerwerk, hell wie eine Supernova.
    
    Voller Ehrfurcht betrachtete sie das riesige Gebilde vor ihr.
    
    Je tiefer die Androidin in ihre Untersuchungen des menschlichen Zerebrums eintauchte, desto größer wurden ihre Augen. Mit stetig wachsendem Respekt stellte sie fest, dass vom Zeitpunkt des Heranwachsens im Mutterleib bis zum jetzigen Augenblick absolut alles aufgezeichnet worden ...
    ... war.
    
    Jedes kleinste Detail.
    
    Es gab kein „Vergessen" im menschlichen Gehirn, sondern nur eine hochkomplexe Signifikanzbewertung mit äußerst feinfühliger Skala, die je nach Situation festlegte, welche Informationen gerade benötigt wurden, welche unnötig oder minderwichtig waren und welche die aktuellen Entscheidungsprozesse behinderten.
    
    Durch dieses System erreichten Menschen also diese wahnsinnig hohe Verarbeitungsgeschwindigkeit und die ultrakurzen Reaktionszeiten, stellte Selen verblüfft fest. Das und ihre immer noch recht ausgeprägten Instinkte.
    
    Sie selbst wusste immer alles, hatte stetigen Zugang zu allen Informationen, die sie eingelagert hatte. Natürlich selektierte sie auch nach Prozessrelevanz, aber im Vergleich sehr grob.
    
    ´War das vielleicht eine Last für sie, ohne dass sie es geahnt hatte? Ein Fluch? Eine Bürde? Wäre es eine befreiende Offenbarung für sie, wenn sie diesen Zustand änderte?´
    
    Sie überlegte kurz, was mit ihr geschehen würde, falls sie diese Methode übernähme, kam aber zu keinem Ergebnis. So beschloss sie diese Gedanken später weiter zu verfolgen, da es noch einiges zu tun gab. Es lohnte sich aber bestimmt, in dieser Richtung zukünftig einige Experimente anzustellen.
    
    Als sie sich schließlich genauer den Inhalten der Informationsfrüchte widmete, folgte die Ernüchterung.
    
    Wie sie bereits festgestellt hatte, wurde von Geburt an alles im Gehirn aufgezeichnet, aber wie komplex und umfassend dieses „Alles" war, hatte sie nicht geahnt.
    
    Jede ...
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