Das Ministerium für Bürgerglück
Datum: 01.10.2020,
Kategorien:
CMNF
Autor: Luftikus
... nichts anderes übrig, als in großer Ungewissheit auf das Eintreffen der Ordnungsperson zu warten. 45 Minuten später wurde die Tür wieder geöffnet. Der Rezeptionist trat in Begleitung eines drahtigen alten Polizisten ein.
Der unsympathische Glatzkopf trug einen dunkelblauen Overall mit einem seltsam steifen Kragen.
Ohne ein Wort ging der Polizist auf sie zu und löste seine Handschellen vom Gürtel. „Ist das denn notwendig?“, fragte die Frau verängstigt. „Der Vorfall ist bereits geklärt. Ich nehme Sie zur weiteren Vorführung fest“, antwortete der Polizist grimmig und ergriff ihre Handgelenke. „Aber mir war doch nur die Tür zugefallen“, flehte die Frau den Tränen nahe. „Sie werden genug Gelegenheit haben, das alles zu erzählen“, brummte der alte Polizist, als er die Handschellen um ihre Handgelenke schloss und die Frau zu seinem Fluggerät abführte.
Leise summend starteten die acht seitlich montierten Propeller ihre gegenläufige Rotation. Ruckfrei erhob sich das kleine Fluggerät. Durch das rundliche Fenster sah die Frau, wie die wenigen Außen lichter des abgelegenen Hotels kleiner wurden, um dann wie einsame kleine Sterne im Dunkel der nächtlich schwarzen Hügellandschaft zu schimmern. Schmerzlich wurde der Frau bewusst, dass dieser Ort nicht so vergessen und abgeschieden war, wie sie es gehofft hatte. Der Polizist saß ihr gegenüber und sah sie mit einem monotonen Gesichtsausdruck an.
Das Fluggerät steuerte selbständig den vorprogrammierten Zielort an. Der Polizist ...
... war zum Nichtstun verdammt. Die Automatik hatte ihm nicht mal die Genugtuung gelassen, das Ziel durch mündlichen Befehl einzugeben. Die Frau sah es ihm an, wie sehr es ihn ärgerte, wie diese Maschine ihn zu einer hilflosen Marionette machte. „Früher, da hätte ich eine solche Sittenstrolchin wie Dich in die nächstbeste Zelle weggesperrt. Aber nein. Die vom Ministerium wissen ja alles besser mit ihren neumodischen Methoden.“ Der Polizist verkniff ärgerlich das Gesicht. „Es wird gewünscht, dass ich Dich dem Ministerium vorführe“, trotzig verschränkte er die Arme, „also werde ich es tun.“
Das Ministerium. Die Frau fragte sich, was sie wirklich über das Ministerium wusste. Eigentlich wusste sie nichts. Das Ministerium wirkte allgegenwärtig und doch war nichts über diese unheimliche Behörde bekannt. Noch nie hatte sie einen Bericht über den Ablauf eines Termins beim Ministerium gelesen. Sie kannte keinen, der schon einen solchen Termin hatte nachkommen müssen, auch hatte sie in ihrem großen Bekanntenkreis nie etwas darüber gehört.
Dabei war die Zahl von obligatorischen Terminvergaben rasant gestiegen. Allein in ihrer Heimatstadt waren es laut offizieller Verkündigung im letzten Monat über zweitausend gewesen. Aber niemand redete darüber. Wurden all die Menschen zum Schweigen gebracht? Und wie ging das vor sich? Die Frau wusste nicht mehr über das Ministerium, als dass es die Bevölkerung mit einer unaufhörlichen Propaganda positiver Lebenseinstellung und Freundlichkeit überzog. ...