1. Das Ministerium für Bürgerglück


    Datum: 01.10.2020, Kategorien: CMNF Autor: Luftikus

    ... Was mochte sich hinter der freundlichen Fassade verbergen? Angst stieg in der Frau auf.
    
    Das Fluggerät landete automatisch gesteuert auf dem Dach eines großen Verwaltungsgebäudes. In der Kabine ertönte eine weiche weibliche Computerstimme, die dazu aufforderte, die Bürgerin durch die lindgrüne Tür ins Gebäude zu geleiten. Abschätzig wiederholte der alte Polizist das Wort Geleiten, ergriff grob den Arm der gefesselten Frau und zog sie zur angewiesenen Tür.
    
    Im Gang wartete eine Beamtin des Ministeriums. Sie trug eine hellblaue Uniform mit knielangen Rock, die ihr eine gewisse Eleganz verlieh. Im Revers steckte eine Brosche mit der Form eines vierblättrigen Kleeblattes. Ihr Lächeln wich einem dezent vorwurfsvollen Gesichtsausdruck, als sie die Handschellen erblickte. „War das wirklich nötig?“, fragte die Beamtin in einem ruhigen aber bestimmenden Tonfall. „Wollen Sie mir erklären, wie ich meine Arbeit zu machen habe?“, raunzte der Polizist zurück.
    
    Die Beamtin lächelte den Polizisten freundlich an. „Nehme bitte der Bürgerin die Handschellen ab.“ In ihrer Freundlichkeit schwang eine unterschwellige dominante Ruhe, mit der es die Beamtin verstand, die Überlegenheit des Ministeriums auszudrücken. Der Polizist gehorchte. „Danke. Deine Mitarbeit wird nicht weiter benötigt.“ Der Polizist wollte sich schon umdrehen, um zu gehen, als ihn die Beamtin streng ansah. „Bring den Bürgern Glück“, diktierte sie ihm die offizielle Grußformel der Neuen Zeit, die der alte Mann nicht ...
    ... ordnungsgemäß aufgesagt hatte. Grummelt wiederholte es der Polizist und ging.
    
    Sachte ergriff die Beamtin die Handgelenke der Frau, um sie kopfschüttelnd zu begutachten. Der Polizist hatte die Handschellen nicht zu eng geschlossen. Auf der Haut zeigten sich keine Spuren. „Dieses Relikt eines altertümlichen Polizisten passt einfach nicht mehr in unsere Zeit. Aber seine Überzeugung, dass er alles besser weiß, und wir mit unseren neumodischen Spinnereien scheitern werden, ist sein ganz persönliches Glück. Und es ist unsere Aufgabe als Ministerium, den Bürgern die Erfüllung des persönlichen Glückes zu ermöglichen. Du Verstehst?“ Die Frau war verwirrt.
    
    „Wir werden ihn noch etwas gewähren lassen, um ihn dann vorzeitig in seinen wohlverdienten Ruhestand zu schicken.“ Die Beamtin streckte die Hand zur Begrüßung aus. „Ich bin
    
    Administratorin Tamila.“ Zaghaft ergriff die verängstigte Frau die Hand. „Bitte komm mit mir.“
    
    Unwillig folgte die Frau Tamila. Was für ein hinterhältiges psychologisches Spiel trieb sie mit ihr in ihrer aufdringlichen Freundlichkeit? Die Frau fühlte sich wie auf dem Weg zu ihrer Hinrichtung. „Aber Bürgerin, Du brauchst keine Angst vor mir zu haben. Komm, gehe neben mir.“ Nur langsam holte die Frau zur Administratorin auf. Das beruhigende Plätschern eines Zimmerbrunnens schlich sich in ihre Angst, als sie in eine hohe Halle mit vielen seitlichen Etagen weitergingen. Lichtfarbe schmeichelte in ihren Augen.
    
    Pflanzenlampen bestrahlten zahlreiche Hydrokulturen ...
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