Wenn die Nachtigall erwacht 16
Datum: 14.10.2020,
Kategorien:
Sci-Fi & Phantasie
Autor: by_Faith_
... Grundton ihrer langen Fingernägel zogen sich spielerisch verschlungene, feine orangefarbene und rote Linien.
Ihre Stimme schwoll zum vollen Volumen an, als sich die Blüte vollständig geöffnet hatte. Um sie herum drängten sich die Wesen in respektvollem Abstand und lauschten andächtig der bekannten Melodie, die Hoffnung, Wärme und Geborgenheit versprach. Die Königin schritt mit erotisch wippenden Hüften auf hohen, blauen Absätzen aus der Blüte heraus und präsentierte sich ihrem Publikum auf Augenhöhe. Mit dem inneren Auge sah jedes Wesen die Königin aus nächster Nähe, so, als würden alle in der ersten Reihe stehen.
Der Klang ihrer Stimme war für ihr Publikum wie eine Umarmung der Seelen. Die Königin bewegte sich geschmeidig und dem Tempo des Gesanges angemessen, bis alle Wesen um sie herum die gleichen wiegenden Hüftbewegungen ausführten. Aus einigem Abstand sah es aus, wie eine Wiese mit hohem Gras, durch das ein sanfter Wind wehte.
Für einen Moment der absoluten Klarheit konnten sich die Wesen von dem Gedankengewitter erholen und die Wärme und Strahlkraft der Königin fühlen. An diesem Punkt hatte Miriam ihr Lied sonst immer ausklingen lassen, da sie nicht mehr als Trost in einer scheinbar hoffnungslosen Situation spenden konnte.
Diesmal stimmte sie eine neue Strophe an, die mehr war, als eine unverbindliche Geste des Zuspruchs. Der getragene Sopran wurde temporeicher. Die Königin steigerte die Melodie mit Verve auf einen dramatischen Höhepunkt zu, dessen ...
... Inbrunst sich keiner der Zuhörer entziehen konnte. Sie reichte jedem der Wesen nicht nur gesanglich, sondern auch in einer tatsächlichen Geste die Hände und gab ein Versprechen ab.
Die Menge reagierte darauf in einer Weise, die Miriam nicht vorhergesehen hatte. Im Takt der wiegenden Bewegungen schnippten alle synchron mit den Fingern und klatschten dann in die Hände. Durch die schiere Masse der Beteiligten ergab sich ein berauschender Rhythmus aus Fingerschnippen und Klatschen. Selbst, als die Königin ihr Lied ausklingen ließ, hielt die Menge den Rhythmus aufrecht. Miriam war überwältigt von der Dynamik und bekam einen Vorgeschmack von der Kraft der Massen.
In einem Gefühl der Erhabenheit hob sie den Kopf, denn jetzt war sie bereit, diese Verantwortung auf sich zu nehmen. Passend zum Takt trat Miriam mit einem Fuß entschlossen auf dem Boden auf. Weit über zweitausend Füße taten es ihr gleich und ließen den dunklen Wald in einem Donnerhall erzittern. Danach standen alle still und warteten.
»Lauft zum Licht!«, sagte die Königin ruhig aber mit einer mystischen Kraft in der Stimme.
Sie schwang sich auf den Panther.
»Auf mein Großer, zeige ihnen den Weg aus der Dunkelheit.«
M'ryn der I. trug seine Königin aus dem dunklen Wald und führte die Gruppe der Kreaturen an. Einer nach dem anderen kämpfte sich durch das Unterholz. Die Pfade der ersten wurden von den Nachfolgenden ausgetreten und schon bald stoben sie auf breiter Front dem Licht entgegen. V'nyx der V. bildete die ...