1. Dies Irae


    Datum: 20.10.2020, Kategorien: Inzest / Tabu Autor: byesterhazy

    Regennacht.
    
    Hell, fast gleißend bricht die Neonsonne die Dunkelheit in der finsteren Werkshalle. Licht scheint anbetungswürdig für den, der im Schatten haust. Wo einst ein Strahlen war, herrscht nun Düsternis, wo einst Lächeln auf den Lippen lag, grinsen nun verzerrt die Gesichter.
    
    Ein kleines Elmsfeuer durchzuckt also den Schatten. Ein Flackern im Dickicht des Nichts. Glühend, fast flammend eine Lampe, ein Scheinwerfer sogar, gehalten von zittrigen, faltigen Händen. Augen, alt und doch wach, blitzen durch den Nebel aus schwerer Nacht, der sich auf alles hier gelegt hat.
    
    War da ein Schrei? Vor Minuten. Die Stille ist wiedergekehrt, Hölle des Schweigens, des Fegefeuers Silentium im Dunkeln. Etwas ist! Das schleifende Stapfen nackter Füße: Trippedi-trappenden Schrittes durch das Zwielicht, das jenes machtlose Leuchten der Dunkelheit entgegenzusetzten vermag. Staunen. Ungläubigkeit: Wer? Warum? Wie?
    
    Ein Hüsteln, dann erhebt er die Stimme: "Wer da?"
    
    Keine Antwort, nur das hämische Prasseln des Sommeregens, der in Schnüren den zersprungenen Boden benetzt.
    
    Wimmern? ...Wimmern! Tier oder Mensch, qualvoll. Dunkle Schlieren frischen Blutes. Seines erstarrt in den Adern. Nochmal, schon verzeifelt: "Hallo? Ist da jemand?" Leiser Wiederhall von den Wänden.
    
    Lächerlich, hier draußen in der endlosen Weite! Der Wald kann einem nicht antworten. Aber doch, etwas krabbelt wie ein jagendes Tier aus den Eingeweiden herauf, ein ungewohntes Gefühl, hilflose Angst - .
    
    Atem, ...
    ... leiser Atem. Gepresster Atem, Röcheln dringt an seine Ohren. Das Gewehr liegt in der Hütte, nutzlos zwischen den Fellen am Boden.
    
    Einst, ja einst, wäre das kein Problem gewesen, ein Mann der sich wehren konnte! Aber jetzt -? Gebannt blickt er ins Schwarz.
    
    Das Bett war warm gewesen, niemand geht hier Nachts hinaus, schon wegen der Wölfe nicht!
    
    "Alter Dummkopf! Aus purem Leichtsinn wirst du sterben - ".
    
    Eine namenlose Stimme formt ein Wort, plötzlich klingt ein kraftlos gezischtes "Hilfe!" in der Dunkelheit. Ein Mensch! Oder etwas ähnliches. Die müden Augen erkennen Umrisse. Eine verbogene, kauernde Gestalt, qualvoll zusammengesackt vor der eingestürzten Wand. Haare, die herabhängen in verfilzten Quasten, ein zerbrochenes Antlitz nassen Schmerzes, malträtiert von wem oder was auch immer.
    
    Er eilt mit der Elektrofackel zu ihm, (nein, er erkennt) zu ihr und kniet wie ein Sünder vor der regungslosen Silouette. Seine grauen, schwachen Hände streichen über Stellen versengter, hässlicher Haut, finden dann aber rosige Enklaven, traurige Souvenirs wohl einst makelloser Oberfläche.
    
    Stumm, mit offenen Augen gleitet der schwere Kopf in seine Arme, die er öffnet und schließt. Hin und her wiegend treffen sich ihre Blicke, die sich beide, gleich sterbend, gleich verzweifelt, im Nichts verlieren. Was war geschehen? Wichtiger noch, was würde geschehen?
    
    Hastig rannte er stolpernd zur Hütte zurück. Nackte Angst war in seinem Herzen. Der Emerit holte nach einer Decke, voll der ...
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