1. Sehnsucht


    Datum: 05.03.2021, Kategorien: Schwule Autor: byAndregide

    ... setzt das voraus, fragt mich gar nicht erst. Ich bleibe auch in der Nacht darauf. Und in der darauf. Es ist, als sei in mir ein Damm gebrochen. Als habe ein Umsturz meiner Gefühle stattgefunden. Ich will mit ihm leben, will schwul sein für ihn. Er soll mich erziehen.
    
    Ich gebe das Rauchen auf, weil er es nicht mag; dann bringt er alles, was feminin ist in mir, zum Vorschein, als habe er mich durchschaut. Ich gebe erst meine Wohnung auf. Seine ist mehr als groß genug für ein Paar. Ich lebe wie seine Frau. Er bringt mich dazu, auch meine Arbeit aufzugeben, nur für ihn da zu sein. Ich koche für ihn, kümmere mich um die Wohnung, und es ist ein schönes Gefühl, dann häufig in engen Lederhosen und weißem Seidenhemd in seinen Salon zu kommen, ihn dort vor allen zu küssen.
    
    Es macht mich stolz: Ich bin der Geliebte von Michael Rose. Ich bekenne mich öffentlich dazu. Ich will schön und begehrenswert für ihn sein, wie eine Frau für ihren Mann. Ja, ich bin vielleicht spießig, und meine Vorstellung vom Frausein ist vormodern, ich weiß, aber ich himmele meinen Michael an. Ich genieße es, mit einem ...
    ... erfahrenen und erfolgreichen Mann zusammen zu sein, der in unserer Beziehung den Ton angibt.
    
    Ich ahne, dass viele mich für eine „Schwuchtel“ halten, für eine „Tunte“, weil ich Wert darauf lege, meinem Geliebten mit gezupften Augenbrauen, hübschen Locken und samtiger Haut gegenüber zu treten. Er lehnt übrigens auch großen Wert darauf. Das allein zählt. Mehr als neunzig Prozent meiner Freunde wollen nichts mehr zu tun haben mit mir. Für sie bin ich das willige Weibchen, das sich aushalten und beschlafen lässt.
    
    Ich kann nicht anders, ich empfinde mich als Michaels Frau, ich habe Orgasmen mit ihm, von denen ich mit Frauen nicht mal zu träumen gewagt hätte. Und ich fühle mich mit ihm so, wie ich es mir immer in einer Paarbeziehung gewünscht habe. Keine Frau kann mir geben, was ich von ihm empfange: sein Begehren, seinen Samen, seine Liebe. Es erfüllt mich. Er hat mich zu dem geführt, was mir entspricht. Ich fühle mich wie seine Frau, ich benehme mich wie seine Frau. Wenn er mich jetzt, wo es die Homoehe gibt, fragen würde, ob ich ihn heiraten will, würde ich nicht eine Sekunde zögern: „Ja, mon amour!“. 
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