The Dancer
Datum: 18.07.2021,
Kategorien:
Schwule
Autor: bypurple_esper
Es war ein Freitag, als ich ihn zum ersten Mal sah.
*
Ich habe, wie immer an diesem Wochentag, gerade Training. Balletttraining, um genau zu sein, und ich schwitze wie ein Schwein. Der Saal ist recht klein und es herrscht eine Luft, die ich wahrscheinlich mit einem Messer hätte schneiden und mir auf ein Brot schmieren können. Kein besonders appetitlicher Gedanke.
Da wir nur zu fünft sind, haben wir trotz der Dimensionen des Saals immer ausreichend Platz.
Es ist ein Ballettsaal, wie ihn sich wohl jeder vorstellt: Eine Wand ist komplett mit großen, flächendeckenden Spiegeln bestückt, während an der gegenüberliegenden eine lange Reihe von Ballettstangen angebracht sind. Es gibt eine etwas höhere, sowie eine darunter liegende Stange, je nach Körpergröße oder Übung benutzt man die eine oder die andere.
Meine Lehrerin, Ramona, ist eine großgewachsene, schlanke Frau um die 50. Sie hat eine erfolgreiche Karriere als Tänzerin hinter sich und widmet sich nun mit leidenschaftlicher Hingabe der Ausbildung ihrer potenziellen Nachfolger.
Ihr Haar ist streng zu einem Dutt zurückgebunden und sie trägt schwarze Tanzkleidung.
Die laufende Musik ist eine klassische Version von „On my own" aus dem Musical
„Les Misérables".
Gerade drehen wir Tour-Piqué-En-dedans (eine Drehung im Ballett, bei der ein Bein zu Seite hin angewinkelt ist), als es an der Tür zum Tanzsaal klopft.
Ramona blickt in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen ist, und sagt zu uns gewandt: ...
... „Anna, Julia, Carine, Leo, schön weiter machen! 1! 2! 3! Hopp! " Währenddessen schwebt sie geradezu hinüber zur Tür um sie zu öffnen. Wir machen weiter.
Ich drehe und drehe eine Piqué nach der anderen und mache eine Abschlusspose. Dann blicke ich zu Ramona, die sich außerhalb des Raumes mit jemandem zu unterhalten scheint. Ich trinke einen Schluck Wasser, wische mir den Schweiß mit einem kleinen Handtuch von der Stirn und stelle mich auf für die nächste Runde.
Gerade als ich anfangen will mich zu drehen, betritt Ramona den Raum wieder, gefolgt von einem großen, blonden Kerl Mitte zwanzig. Er trägt, genau wie ich, ein schwarzes Muskelshirt, eine kurze Sporthose und baumwollene Ballettschühchen.
Ich wäre beinahe umgefallen.
Er lächelt mich und dann die Mädchen nacheinander an und stellt sich in einiger Entfernung von uns neben Ramona auf. Ramona lächelt ebenfalls und wirkt erwartungsvoll.
„Dreht noch schnell zu Ende, danach muss ich euch etwas sagen", verkündet sie und sieht kurz zu dem jungen Mann.
Ich tue wie geheißen, kann mich aber noch immer nicht ganz konzentrieren, da ich weiß, dass ich beobachtet werde.
Ich bin bisher immer der einzige Junge in der Gruppe gewesen, und damit auch sehr zufrieden. So musste ich mir nie Gedanken machen, was die anderen wohl von mir denken, denn bei Mädchen war mir das meistens herzlich egal.
Ich mache die Abschlusspose und gehe dann zu meiner Wasserflasche.
Ich nehme sie in die Hand und halte mich an ihr fest, ...