1. Peitsche - sozialpädagogisch oder mittelalterlich


    Datum: 26.08.2021, Kategorien: Schamsituation Autor: LarsBa

    ... dafür, dass niemand Alessandra berührte. Fünfzehn Minuten lang mußte sich Alessandra auf diese Weise mustern und auch Kommentare an hören lassen, ob und daß der jungen Frau eine solche Züchtigung wohl "gut getan" habe und "eine Lehre" sei und über die Röte ihres Hinterteils. Dann forderten die Polizeibeamten die Menge auf, zurückzutreten. Sie schnitten die beiden Stricke durch und lösten die Ledermanschetten von Alessandras Handgelenken. Einer der Polizeibeamten führte die leicht taumelnde Frau durch die Gasse, welche sich in der Mitte der Volksmenge bildete, zum Lastwagen und half ihr, die Ladefläche wieder zu besteigen. Der Lastwagen setzte sich in Bewegung und verschwand.
    
    Die sich zu Europa zählende, vierzig Meilen von nordafrikanischen Küste entfernt liegende kleine Inselrepublik Maputo zählt 22'000 Einwohner. Sie schreibt zur Zeit Rechtsgeschichte. Seit mehr als 25 Jahren kennt sie ein striktes Verbot der körperlichen Züchtigung von Kindern und Jugendlichen und hatte damit eine Vorreiterrolle in Europa inne. Dieses Verbot gab, wie auch in Deutschland, wo es später eingeführt wurde, immer wieder zu Kritik Anlaß. Doch es blieb bis heute in Kraft und wird dies wohl auf absehbare Zeit bleiben. Als im Frühsommer 2007 wieder einmal im Senat von Maputo über eine Lockerung der Einschränkung der elterlichen Erziehungsfreiheit diskutiert wurde, stellte die rührige Abgeordnete Maria Scuzzi die provokante These auf, Züchtigung als Disziplinierungs- und Erziehungsmittel sei an ...
    ... sich nicht falsch, nur sei sie nicht auf Kinder und Jugendliche, sondern auf die nächstfolgende Altersklasse, die jungen Erwachsenen anzuwenden. Eine Mehrheit des Senats fand diese These zumindest so bedenkenswert, dass sie den Exekutivrat (Regierung) mit der Ausarbeitung eines Berichts beauftragte. Der Exekutivrat holte in der Folge die Ansichten einer größeren Zahl von Fachleuten - Pädagogen, Psychologen, Ethiker, Juristen, Ärzte, Theologen - aus verschiedenen europäischen Staaten ein, was zu einem kaum mehr zu überblickenden Meinungswirrwarr führte. Dann legte er dem Senat seinen Bericht zusammen mit einem erstaunlichen Gesetzesentwurf vor. Nach hitziger Debatte verabschiedete der Senat einen am 1. Juli 2008 in Kraft getretenen und auf drei Jahre angelegten Beschluss mit dem Auftrag an den Exekutivrat, nach spätestens 30 Monaten dem Senat wieder Bericht zu erstatten und einen Antrag zu stellen, entweder auf Aufhebung oder Ergänzung und Überführung des Beschlusses in ein unbefristetes Gesetz. So haben also jetzt junge Erwachsene zwischen 18 und 28 Jahren, also Menschen, die das Mündigkeitsalter erreicht haben und damit für ihr Handeln selbst verantwortlich sind, für kleineres und mittelschweres Fehlverhalten, welches auf altersbedingte Unbesonnenheit und Leichtsinn, nicht aber auf kriminelle Persönlichkeitszüge hinweist, mit einer mäßigen Züchtigung anstelle einer Ordnungs- oder Kriminalstrafe zu rechnen. Eine solche kann allerdings höchstens dreimal, jeweils mit steigendem ...
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