1. Unter anderen Vorzeichen


    Datum: 04.05.2022, Kategorien: Romantisch Autor: lost_of_mind

    ... Küchenzeile und Speisekammer hin und her wetzte. Sie hatte stark abgenommen? "Gib mir nur paar Minuten..."
    
    "Kein Problem, lass dir Zeit! Kann ich was helfen?" Ich stand auf und stellte mich neben sie. "Wie geht es eigentlich Otto? Ist er auf Schicht?"
    
    Im Glaswerk laufen die Öfen 24/7/365. Die werden nur alle fünf Jahre mal für drei Wochen zu Wartungsarbeiten abgeschalten. Dabei dauert nur das abkühlen schon 6 Tage und das hochheizen genauso lange. Zudem muss die Überholung schnell gehen, eine wahnsinnig hektische Phase. Wenn mit Presslufthämmern unter härtesten Bedingungen die Rückstände herausgeschlagen werden. So gesehen war es nicht ungewöhnlich wenn Otto selbst zu Weihnachten nicht da gewesen wäre. Linda zuckte erkennbar zusammen.
    
    "Otto hatte seine letzte Schicht angetreten. Ach, das weisst du ja garnicht. Ich konnte dich nicht erreichen."
    
    "Wie das denn?" Es dauerte einen Moment bis ich begriff, ich ahnte es erst wie sich ihr Gesicht schmerzhaft verzog. "Du meinst er..."
    
    Sie nickte traurig. Ich weiss nicht warum ich das tat, aus einem inneren Impuls heraus nahm ich sie in den Arm und drückte sie ganz feste. Ich war ihr zuvor noch nie so nahe gekommen. Sie murmelte an meine Schulter: "Du weisst ja wie er war. Nach aussen immer stark. Niemandem Sogen bereiten, alles in Ordnung. Er wollte es wohl selber nicht wahrhaben. Das Herz. Sie haben ihn im Gaselager nicht sofort gefunden, er war dort zur Dichtheitskontrolle. Erst zum Schichtwechsel, wie der nächste ...
    ... Kontrollierte. Da war bereits wertvolle Zeit verstrichen." Ihr schlanker Körper zuckte etwas vom schluchzen.
    
    Was sagt man da? Am besten nichts. Ihre Trauer war etwas ansteckend. Wenn es mich auch nicht ganz so schmerzte wie sie, ich hatte mich mit Otto seit längerer Zeit nur noch in Erinnerungen beschäftigt, rechnete auch nicht wirklich damit ihn nochmal zu sehen. Obwohl ich mich durchaus gefreut hätte. Er wäre Stolz gewesen dass aus mir was anständiges wurde. Sein Verdienst. Ich kraulte Linda sanft im Nacken.
    
    Nach paar Minuten berappelte sich Linda wieder. Wandte sich von mir ab damit ich ihr Gesicht nicht sah. Deshalb setzte ich mich besser wieder in die Eckbank zurück. Sie fing an Zwiebeln zu schälen und lenkte vom Thema ab: "Aber erzähle du doch mal? Wie ist es dir all die Jahre ergangen?"
    
    Ich erzählte wahrheitsgemäss, es gab ja auch nichts mehr zu vertuschen. Erwähnte mehrfach welchen vorbereitenden Anteil sie und Otto daran hatten. Beobachtete derweil die Frau genauer: Linda hatte wirklich stark abgenommen. Die langen Haare vergraut und am Hinterkopf hochgesteckt. Sie trug ein braves Kleid, den sommerlichen Temperaturen geschuldet etwas leichter, aber es schien ihr bisschen zu groß. Das Lächeln, immer wenn sie sich zu mir umdrehte, wirkte künstlich. Man sah ihr durchaus an dass sie schwierige Zeiten durchmachte, wollte es aber unter allen Umständen verbergen. Insoweit unterschied sie da nichts von Otto.
    
    Wir assen auf der Terrasse, wie früher. Es war auch genial ...
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