1. Aurelies fabelhafte Welt


    Datum: 02.12.2022, Kategorien: Transen Autor: by_Faith_

    ... zückte sein Smartphone und erklärte nach kurzer Recherche, dass es Schafrassen gab, bei denen beide Geschlechter Hörner trugen.
    
    »Sind bei den Weibchen aber stets kleiner als bei den Böcken«, schloss er den Exkurs ab und legte sein Smartphone zur Seite.
    
    »Danke«, sagte Aurelie.
    
    Leon musste ohne ersichtlichen Grund lachen und erklärte sich: »Du bist so erfrischend überraschend. Wir sitzen hier und quatschen und du fragst aus heiterem Himmel nach Schafhörnern. Wie kommst du auf so was?«
    
    »Fantasie?«, sagte Aurelie und stütze ihren Kopf verträumt auf den Handballen. Leon streckte seinen Arm über den Tisch und nahm ihre andere Hand.
    
    »Seit wir uns auf dem Rummel getroffen haben, gehst du mir nicht mehr aus dem Kopf. So verliebt war ich noch nie.«
    
    Aurelie hatte es geahnt und war dennoch sprachlos, von dieser vorbehaltlosen Offenheit. Er hatte sein schlagendes Herz auf den Tisch gelegt und sie musste mit der Situation klarkommen. Sein Daumen strich zart über ihren Handrücken. Sie spürte seine Anspannung in diesem sanften Streicheln, während sie nachdachte und ihn warten ließ.
    
    »Das kommt sehr plötzlich«, sagte Aurelie, um sich diplomatisch heranzutasten.
    
    »Du hast feine Antennen -- hast bestimmt schon etwas geahnt und ich will kein falsches Spiel spielen. Ich lege die Karten lieber auf den Tisch, bevor Missverständnisse entstehen.«
    
    »Hm«, brummte Aurelie und versuchte Ordnung in ihr Gedankenchaos zu bringen.
    
    »Seit unserem Treffen, letzte Woche, konnte ...
    ... ich es nicht erwarten, dich wiederzusehen«, sagte Leon.
    
    »Weißt du«, setzte Aurelie an, »ich glaube dir aufrichtig, dass du nicht mehr wie früher bist und es dir leidtut, was damals passiert ist, aber du verwechselst den Wunsch, etwas gutzumachen, mit Verliebtheit.«
    
    »Ich habe die letzten Tage mit mir gerungen. Ich wollte es nicht wahrhaben, weil du eine spezielle Frau bist und ich nicht weiß wie das mit uns funktionieren soll, aber der Wunsch, in deiner Nähe zu sein, mit dir zu reden und zu lachen, hat alle Zweifel aus meinen Gedanken gewischt. Du bist fantasievoll, schlagfertig und äußerst attraktiv -- ich will mehr von dir.« Aurelie sah ihr wohlgeordnetes Leben in Gefahr. Ein Leben, das sie in den letzten Jahren mit einem Freundeskreis aus toleranten und rücksichtsvollen Menschen angereichert hatte -- eine kleine Welt ohne Raubtiere.
    
    »Es ist vielleicht besser, wenn du jetzt gehst«, sagte Aurelie und fühlte den Kloß in ihrem Hals.
    
    »Warum hast du dich auf das Date eingelassen, wenn du absolut kein Interesse hast?«
    
    »Das war dumm von mir«, gab Aurelie kleinlaut zu, »es tut mir leid.«
    
    Sie schaute Leon nicht nach, als er aufstand und den Tisch, ohne ein Wort des Abschieds, verließ. Nachdenklich trank sie den letzten Schluck aus ihrem Weinglas und überlegte, was schiefgelaufen war. Aurelie träumte seit Jahren von der Gelegenheit, ihren Peinigern von damals zu zeigen, was sie aus ihrem Leben gemacht hatte. Vor allem Leon sollte sehen, dass sie kein verträumter, ...
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