1. GMO - Genetisch Verändert


    Datum: 27.03.2023, Kategorien: Sci-Fi & Phantasie Autor: byrealitaetsverlust

    Ich stellte die Phiole mit einem hörbaren „tock" auf den Tisch. Vita schaute mich fragend an.
    
    Vor fünf Jahren hatte ich bei Novgenia angefangen. Mein Fachgebiet ist die Phänotypenvorhersage, was schlicht bedeutet, dass ich versuche die biologischen Auswirkungen von Mutationen vorherzusagen. Die allermeisten Veränderungen im Erbgut sind, entgegen der Vorstellung in Superheldencomics, nämlich entweder wirkungslos, gesundheitsschädlich und in seltenen Fällen tödlich. In den 2020er Jahren machten wir jedoch große Fortschritte in der Systembiologie, einem Forschungszweig, der versucht, die aber-tausenden Zusammenhänge in einem komplexen Organismus zu erfassen und zu simulieren. Das ermöglichte weitreichende was-wäre-wenn-Experimente im Rechner und einigermaßen verlässliche Aussagen über die Konsequenzen einer Genoperation.
    
    Novgenia war eine kleine, aber stark wachsende Neugründung mit dem Fokus auf Gentherapie mit CRISPR/CAS. Das wirklich Revolutionäre an der firmeneigenen Technologie war eine Plattform für Behandlungen an voll entwickelten Organismen. So konnten genetische Modifikationen in adulten Patienten vorgenommen werden, die an einem Defekt litten, der der mittlerweile üblichen Pränataldiagnostik und der präventiven genetischen Impfung entging.
    
    Wir entwickelten Therapien für bestimmte Formen von Parkinson und anderen neurodegenerativen Erkrankungen. Meine Aufgabe war es zu simulieren, ob die von den Genetikern vorgeschlagene Veränderungen wirksam wären und welche ...
    ... Nebenwirkungen auftreten konnten. Das Ergebnis war keine Darstellung eines Menschen, dem plötzlich ein dritter Arm oder so wuchs, wie sich das manche Naivlinge im Management vorstellten, sondern eine ellenlange Zahlenkolonnen. Da gab es einen Indikator für das Risiko Pigmentsstörungen zu entwickeln, Laktose verdauen zu können, Wachstumsfaktoren, Leberperformance, Hormonlevel, usw. usf.
    
    Als Eingabe nahm die Software die Gensequenz des Patienten, eine aktuelle Anamnese, die den Status-Quo wiedergab - und eine Liste von Änderungen, die an den Sequenzen vorgenommen werden sollten. Die Software berechnete dann, unter enormen Rechenaufwand, die zu erwartenden Veränderungen am Körper. Wenn dann bei einem Parkinson-Patienten die stockende Dopamin-Produktion stabilisiert wurde ohne, dass Risikofaktoren stark anstiegen, hatten wir einen guten Kandidaten identifiziert. Das Tolle an dieser Technik: wenn wir einmal festgestellt hatten, wo wir eingreifen mussten, war die Synthese der Wirkstoffe ein Klacks.
    
    Mich langweilte die Arbeit nach einiger Zeit, also startete ich ein Nebenprojekt. Ich drehte den Spieß einfach um. Statt die Änderungen vorzugeben, nahm das Programm nun eine Zielvorgabe an und schlug dann entsprechende Modifikationen am Genom vor. Nach 2 Jahren Feintuning kam die Software zu denselben Ergebnissen, mit denen die Genetiker selbstzufrieden in mein Büro gestapft kamen. Damit hatte ich den heilige Gral der Körperoptimierung gefunden. Jeder Mensch konnte nun frei über ...
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