Fasching Teil 4 von 8
Datum: 23.08.2023,
Kategorien:
Erstes Mal
Autor: byNimmermehr
... Sandra lachte glucksend.
„Echt Kai, die waren die letzten Jahre so gut wie nie daheim. Ich musste mich immer irgendwie um alles kümmern. Auch wenn sie deswegen ein schlechtes Gewissen hatten.
Ich war schon immer ein „großes Mädchen". Schon mit neun Jahren, als ich ihnen klipp und klar sagte, dass ich nicht mit ihnen um die Welt ziehen wollte. Ich hatte hier meine Schule und meine Freunde."
Sie nahm dankbar die Tasse mit dem Kräutertee.
„Und ich bekam beinahe alles, was man für Geld kaufen konnte. Inklusive Nanny. Und manchmal kamen sie für ein paar Tage und dann war das Programm „Happy Family" angesagt. Einmal Familienleben gegen das schlechte Gewissen und ich machte immer gute Miene zum bösen Spiel. Ich hatte sie echt schon früh durchschaut. Weißt du, ich hasse sie und ich liebe sie. Wahrscheinlich bin ich jetzt ein Freak? Aber ich rufe sie jeden Tag an und sage, was sie hören wollen."
Sie sah erst Sandra an, dann mich.
„Sorry, musste mal wieder raus. Sonst werde ich noch verrückt. Sandra kennt das schon von mir."
„Kann ich gut nachvollziehen Elke." Ich nahm auch einen tiefen Schluck vom Kräutertee.
„Meine Eltern sind jetzt im Altenheim. Sie waren auch alles, nur nicht einfach. Das Haus hier sieht aus wie das Paradies. Und sie haben hart dafür gearbeitet. Aber sie haben auch viele Erwartungen in mich gesetzt. Ich bin das einzige Kind. Der Sohn. Universitätsabschluss -- definitiv. Mindestens Anwalt. Oder Mediziner. Oder Architekt, wie sie ...
... selbst.
Ich habe mich für Medizin entschieden, dem vermeintlich kleineren Übel. Und es lag mir tatsächlich. Ich hatte Glück."
Der Tee wärmte gut durch. Die beiden hingen förmlich an meinen Lippen.
„Ich weiß nicht, was besser ist. Eltern zu haben, die einen schon von klein auf in eine Rolle pressen wollen oder Eltern, denen alles egal ist.
Ich weiß nicht, ob mich meine Eltern geliebt haben. Vielleicht auf ihre Weise, irgendwie. Aber wisst ihr: Ich hatte oft das Gefühl, nie wirklich um meiner selbst Willen geliebt zu werden.
Stattdessen musste ich immer wieder um ihre Aufmerksamkeit kämpfen. Nur mit Leistung, wenn ich etwas erreichte, hatte ich für kurze Augenblicke das Gefühl, sie wären stolz auf mich. Ich glaube, sie liebten nicht mich, sondern nur, was ich tat und wer ich war... wer ich sein konnte und könnte."
„Hast du ihnen das jemals gesagt Kai?"
„Dazu hat mir ehrlicherweise immer der Mut gefehlt. Am Anfang, weil ich Angst vor ihrer Reaktion hatte und später, weil ich die Antwort fürchtete. Ich weiß nicht, wie ich es verkraftet hätte, wenn ich am Ende die Bestätigung gehabt hätte, Recht zu haben... es immer gewusst zu haben."
„Und du hast sie gepflegt?"
„Mit all meiner Liebe. Mit all meiner Frustration. Mit all meinem unterdrücktem Hass. Ich habe sie gut gepflegt und so lange ich konnte."
„Aber du weißt doch alles. Sprich doch jetzt mit ihnen."
„Weißt du Sandra, heute kann ich ihnen das nicht mehr sagen. Sie können das beide nicht mehr so erfassen. ...