1. Gesine - Auf dem Canal de Bourgogne - Tag 1


    Datum: 28.06.2024, Kategorien: Romantisch Autor: ADL

    ... Position zu haben, um ihr von oben in den Ausschnitt zu blicken. Als das Boot so weit gehoben war, dass Gesine gerade über die Kante der Schleuse sehen konnte und der Einblick am Eindrucksvollsten war, sagte sie leise, "soll ich etwas anderes anziehen?". Ich wurde zwar rot, glaube ich jedenfalls, und fühlte mich ertappt, trotzdem schaffte ich es, ihr eine Antwort zu geben, fast schon ein Kompliment, "Oh, bitte nicht. Ich werde versuchen, mich etwas mehr aufs Anlegen und Schleusen zu konzentrieren, aber bitte lass mich auch hin und wieder die Aussicht genießen". Anerkennend antwortet sie, "Schüchtern bist du ja nicht gerade".
    
    Ich war ihr echt dankbar, dass sie bei den verschiedenen Manövern sich weiterhin ganz normal verhielt und sich nicht bemühte, mir den Einblick zu verwehren. Im Gegenteil, ich hatte manchmal sogar den Eindruck, sie schaue bewusst irgendwo hin, damit sich unsere Blicke nicht kreuzten, ich mich nicht beobachtet oder ertappt fühlte, so dass ich ausgiebig schauen konnte.
    
    Spätestens nach der dritten Schleuse konnte sie perfekt an- und ablegen, wusste sie wie man auf einer Klampe belegt und wie man die Festmacher legen musste, um sie leicht wegfieren zu können und trotzdem jederzeit das Boot sicher am Haken zu haben. Sie hatte fast augenblicklich die ganze Terminologie der Seeleute erfasst und konnte sie nach einer Stunde besser anwenden als Martin, der seit Jahren hin- und wieder mit Booten unterwegs war. Ich war von ihrer Auffassungsgabe inzwischen ...
    ... genauso beeindruckt, wie von den Einblicken, die sie mir gewährte.
    
    Nachdem sie Martin verbessert hatte, dass der Poller da vorne am Boot eine Klampe sei und die Poller nur an der Mole zu finden sind, musste ich lachen, dass sie, die zum ersten Mal auf Bootsfahrt ging, inzwischen besser Bescheid wusste als unser Kapitän.
    
    "Was studierst du eigentlich", fragte ich sie.
    
    "Bio-Chemie, Physik und Informatik".
    
    Ich verstand nicht so recht, weil man neben Physik noch irgendetwas anderes studieren konnte. Vielleicht Mathematik, aber sicher nicht etwas extrem Zeitintensives wie Bio-Chemie und dann noch Informatik. Ich muss wohl wie der Ochs vorm Berg geschaut haben und hatte ganz meine Aufgabe beim Schleusen vergessen, da rief sie mich in die Wirklichkeit zurück, "Eh, wirf mir endlich die Leine zu".
    
    Das tat ich und fragte immer noch verwirrt, "Bio, Chemie, Physik und Informatik - auf Lehramt?"
    
    "Quatsch, auf Diplom und nicht Bio und Chemie sondern Bio-Chemie".
    
    "Das glaub ich nicht", sagte ich halb im Spaß und dachte an mein eigenes Physik-Studium und all die Mühen, "dass haut mich um. Wie kann man denn drei Fächer, wie diese, studieren?"
    
    "Als Hochbegabte geht das schon".
    
    Jetzt verstand ich, sie saugte alles auf und hatte es sofort verinnerlicht, wie die Seemanns-Sprache.
    
    "Was, du bist eine Hochbegabte", entfuhr es mir und ich hätte mich ohrfeigen können und wollte mich auch gleich entschuldigen, da fuhr sie mich auch schon an, "was ist denn das für eine blöde ...
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