Wenn die Nachtigall erwacht 01
Datum: 26.03.2018,
Kategorien:
Sci-Fi & Phantasie
Autor: by_Faith_
... sie sich, dass niemand Zeuge dieser skurrilen Botschaft geworden war, und verließ das Restaurant.
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Nachdenklich stieg Miriam aus der S-Bahn, trottete zwei Häuserblocks weiter und schlüpfte durch ein Loch im Zaun. Sie durchquerte das brachliegende Industriegelände, indem sie mit ihren hohen Sandalen über die alten Schwellen einer stillgelegten Bahntrasse tippelte. Zwischen den Bahngleisen wuchsen armdicke Birken und kratzige Büsche. Die offen stehenden Tore der Maschinenhalle ließen das Gebäude wie ein ausgeweidetes Tier erscheinen. Wo einst Generatoren und stampfende Maschinen standen, ragten abgetrennte Rohre und Kabel aus dem Boden.
Miriam lief durch die Halle zur gegenüberliegenden Wand und eilte die Stufen der Metalltreppe empor. Unter der Hallendecke waren einst Büros für die Verwaltung, jetzt wohnte sie hier seit einigen Wochen. Eine ruhige Nachbarschaft und die Nähe zur Innenstadt waren ihr wichtiger als Wohnkomfort. Vor allem anderen legte sie, einer alten Gewohnheit folgend, Wert auf Anonymität. ‚Wenn ich mein neues Leben im Griff habe, nehme ich mir eine Wohnung mit beschriftetem Klingelschild', nahm sie sich vor und verriegelte die Tür ihrer Unterkunft.
Der lange Flur zog sich schnurgerade durch den ehemaligen Bürotrakt. Auf der zur Produktionshalle hingewandten Seite waren Fenster, durch die man einst die Halle überblicken konnte. Miriam hatte diese Fenster mit alten Zeitungen beklebt, um sich, ungestört von Beobachtern, bewegen zu können. Durch ...
... einige kleine Löcher konnte sie die Halle jedoch gut einsehen. Auf der anderen Seite des Flurs befanden sich die Türen zu den einzelnen Räumen. Büros mit rechteckigen Grundrissen, denen Miriam nur durch die spärliche Möblierung eine jeweilige Funktion zuwies. Einzig die Küche und die Toiletten waren schon vor ihr da gewesen. Jeder Raum hatte ein Fenster nach Süden, durch das den ganzen Tag die Sonne hereinschien. Miriam ließ die Jalousien meist geschlossen, damit sich die Räume nicht überhitzten und um keine ungewollten Beobachter zu haben.
Sie streifte die Sandalen von den nackten Füßen, zog das weiße Top über ihren Kopf und schälte sich die Lackhose von ihren Beinen. Nackt bis auf einen weißen Spitzentanga fläzte sie sich auf die Ledercouch, die bereits in einem der Räume gestanden hatte. Es war viel zu heiß, um angezogen nachzudenken. Es wurmte Miriam, dass jemand ihre E-Mail-Adresse ausfindig gemacht hatte. Allerdings hatte sie in den letzten Jahren tiefe Einblicke in die Welt der Geheimdienste erhalten und wusste, dass solche Dinge zur Routine gehörten. Was beabsichtigte der anonyme Absender? Vielleicht war es eine Falle, ein Test, ob sich die Blaue Königin wirklich an die Abmachungen hielt.
Mit hinter dem Kopf verschränkten Armen starrte sie an die kahle Zimmerdecke und ging einige Optionen durch. ‚Ich könnte der Polizei einen anonymen Hinweis geben und abwarten, was in den Nachrichten davon erzählt wird', dachte sie und verwarf den Gedanken wieder. Mit dem Osterei ...