1. Honolulu


    Datum: 26.03.2018, Kategorien: Schamsituation Autor: Anonym

    Das Ausgeliefertsein ist nicht das Schlimmste. Das Schlimmste ist dieses Gefühl, wie wenn Salz in eine Wunde rieselt, dieses Brennen anderer Blicke auf der Haut. Sie starren besoffen von ihrer Geilheit, tasten jeden Centimeter deines Körpers ab und du weißt das es ihnen in den Fingern juckt. Doch sie dürfen nicht, das ist die Regel. Jedem Spiel seine Gesetze. Was wird heute noch geschehen? Ich weiß es nicht! Doch fangen wir bei Anfang an:
    
    Es war ein Nachmittag. Einer dieser grauen verregneten Herbsttage, deren bloße Existenz ein Gefühl der Tristesse und Unbehaglichkeit auslöst. Es sind diese Tage, in denen die Menschen Schals tragen, hochgekrempelt an einem vorbei rauschen, wort- und grußlos und nur eine Kondensatzwolke bleibt. Bis auf diesen einen Mann. Mit den tiefliegenden Augen, die ab und an im Schein der UBahn-Scheinwerfer aufblitzen. In seinen Fäustlingen eine Karte und der geraunte Hinweis, dass ich eine Menge Geld machen könnte. Wo und wie verrät er mir nicht, aber ich hab ja die Karte. Palmen sind darauf und der Schriftzug "Honolulu", was auch immer das bedeuten soll! Normalerweise werfe ich solche unnütze Papierfetzen in den nächsten Mülleimer. Doch heute ist es anders. Warum nicht mal etwas wagen? Ich blicke auf die Adresse. Nähe Prenzlauer Berg. Keine verrufene Gegend. Nein, eher das Gegenteil!
    
    Durch die Vorlesungen quäle ich mich mit aufgesetzer Aufmerksamkeit, doch in mir Kreisen die Fragen. Soll ich wirklich? Ich könnte ja Liz mitnehmen! Aber hat die ...
    ... nicht heute ihr Vorsprechen bei der Volksbühne? Nein, det schaffst du aleene!
    
    Zuhause angekommen ziehe ich mich aus und springe unter die Dusche. Wasser an und Shampoo druff. Ich wasche mich länger und gründlicher als gewohnt, denn beim Duschen kann ich so gut nachdenken. Ich beschließe mich ganz schlicht anzuziehen. Nicht grau in grau aber auch nichst auffälliges. So ne Top-Leggins-Kombi mit Pumps. Naja. Jedenfalls höre ich im Bademantel noch ein bisschen Musik und gehe dann zum Kleiderschrank. Bevor ich mich anziehe kontrolliere ich meine Achseln, meine Beine und meine Muschi. Man sieht einen Schatten. Besonders unten, wo sich die Bikinstreifen aus Italien immer noch nicht ganz verzogen haben. Aber alles in allem aktzeptabel.
    
    Es regnet als ich die UBahn verlasse. Kalte Gischt steigt auf von den Straßen. Eine adrette Wohngegend. Doch von irgendwoher summt Musik. Ich folge dem leises Klang in eine Seitenstraße und begegne rauchenden Männer. Auch ein paar Frauen haben sich hierher verlaufen. Unter ihrem starken MakeUp blicke ich in Leere. Es dauert eine Weile bis ich bemerke, das mich alle anstarren. Je näher ich der Quelle komme, desto durchdringender werden sie. Schließlich komme ich zu einer Kellertreppe. Schlicht. Keine Neonschrift so wie man das aus Filmen kennt. Nein, man könnte glauben hier lagert irgendein Spießer seine Modellflugzeuge.
    
    Drinnen ist es warm und laut. Dumpfe Luft schlägt mir entgegen. Es läuft etwas, das sich so anhört wie die Platten meines Dads. ...
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