1. Vergebung


    Datum: 06.04.2018, Kategorien: Kunst, Autor: Anonym

    ... mich.
    
    Angst ertappt zu werden? Angst erkannt zu werden?
    
    Nein, wer sollte schon...ich war nie einer der Lauten und nie einer der Brutalen.
    
    Ein stiller Mitläufer im Takt des Populismus.
    
    Und doch schutzlos auf Feindesland, aufgeliefert dem eigenen Gewissen.
    
    Schattenhaft schwebte eine Gestalt herein. Blieb stehen. Kondensat im erlöschenden Licht.
    
    Leises Atmen.
    
    Der Schatten sah mich nicht!
    
    Sollte ich mich vorwagen? Nein!
    
    Der Schatten wagte sich zum Kerzenlicht: Eine junge Frau.
    
    Unspektakulär im Jeans-Blouson und Wollrock.
    
    In ihrem Gesicht war Dunkelheit, nur eine grob geschnitztes Profil war zu erkennen.
    
    Sie kniete. Betend?
    
    Und in diesem Moment erfassten meine Ohren die bedächtig geflüsterten Worte, verstärkt durch den stumpfen Hall und Alles in mir vekrampfte sich zu einer harten Masse.
    
    "El malej rahamim" Wie ein Donnerschlag. Jedes Mal in den letzten Tagen.
    
    Ich las zu viel.
    
    Die Luft anhaltend näherte ich mich ihr. Immer an der braunen Wand entlang.
    
    Schleifende Lauer, ich sah ihr Gesicht. Weiße Haut. Augen wie schwarze Murmeln.
    
    Lockig fiel das Haar über die Nase, den Backen, gleich einem magischen Vorhang.
    
    So naß und stickig es hier war, ich blickte sie an. Fühlte ihre Wärme, je näher ich kam.
    
    Stand nun direkt hinter ihr. Mit angehaltener Luft. Spürte den Drang sie zu berühren.
    
    Was tat ich? Ich konnte doch nicht...Doch schon streiften meine Finger ihre Schulter.
    
    Herumwirbeln, ein Tritt zwischen meine Beine. ...
    ... Ich knallte auf den Boden.
    
    Schwarz!
    
    Eine warme Hand an meinem Ohr. Ich spürte wie sie nach unten wanderte, den Puls fühlte.
    
    Helle Stimme verzerrt und fern, schummrig, mir war schummrig. Wo war ich?
    
    Als ich meine schweren Lider nach oben aufschlug sah ich es, ihr Gesicht, direkt über dem Meinen.
    
    "Es tut mir Leid", krächzte ich.
    
    Schaudernd setzte ich mich auf. Ihre Miene – unschlüssig.
    
    Angst oder Mitleid...
    
    Ich sah jämmerlich aus. Verwachsener Kurzhaarschnitt, dreckiger beiger Kapuzenpulli.
    
    Ihre Augen fixierend, suchte ich nach Worten.
    
    Wühlte in meinen Gedanken, nur um ein kümmerliches "Sorry" in das Zwielicht zu werfen.
    
    "Nein, Caspar, das kannste besser!"
    
    Doch sie tippte mit ihrem Ringfinger auf die Brust und sagte kehlig: "Me: Chava!
    
    And you?"
    
    Ich wusste es nicht. Caspar war der alte Name. Der Neue?
    
    "I'm...Caspar!", sagte ich zögernd.
    
    Sie lächelt. Hatte ja keine Ahnung.
    
    Unschlüssig stand ich da, die Zeit zog vorbei.
    
    Gerade als ich dachte, sie würde sich umwenden....
    
    Ich hielt sie fest. Meine Hand griff an ihre Schulter.
    
    Nicht grob, aber bestimmt.
    
    Was tat ich nur?
    
    Als sie sich versuchte loszureißen, gruben sich meine Fingernägel in ihre weiße Haut.
    
    Das Blut pochte in meinem Ohren, in mir war etwas erwacht.
    
    Der einsame Wolf der durch den Tag zog, nun stand er vor seiner Beute, die er mit roten Augen musterte, auf eine Bewegung lauernd.
    
    Schrie sie?
    
    Wer wenn ich schriee, hörte mich denn aus den Engel ...