Polyamorie 01
Datum: 01.05.2019,
Kategorien:
Romane und Kurzromane,
Autor: byBlackHatNCat
... es half mir dennoch nicht.
„Eine Frage habe ich doch noch", fing ich schwer atmend an.
„Ja, fragen sie."
„Wann ist der Unfall ungefähr passiert, ich meine, um wie viel Uhr?"
„Soweit ich weiß, geschah es gegen zehn Uhr, nahe Hamburg."
Mir lief es eiskalt den Rücken runter. Es war zu dem Zeitpunkt, als ich allein mit dem Wagen beim Geldautomaten war. Warum mir in dem Moment der Text von Meat Loaf in den Sinn kam, konnte ich nicht nachvollziehen, er klang mir in den Ohren. Als er sich verabschiedet hatte und aus der Tür ging, stieg bittere Galle auf. Mir war speiübel. Ich lehnte mich mit dem Rücken gegen den Eingang und summte den Refrain des Liedes:
‚But that was once upon a time, now it's a brand new world. Gimmee the future, gimmee the future, gimmee the future with a modern girl.'
Alles kam mir plötzlich so unwirklich vor. Wut stieg in mir auf. Wut auf mich selbst. In Zeitlupe rutschte ich an dem geschlossenen Türblatt herunter. Ich schlug die Hände vors Gesicht und saß schluchzend auf dem Boden. Mein Leben war ein Fluch, jetzt war ich endgültig alleine. Alex, Tina, Sonja -- Alle meine Verwandten wurden mir genommen. Sonja, meine tolle Frau, die ich so liebte. Alex, mein einziger Bruder, mein einziger Blutsverwandter und Tina, meine Lieblingsschwägerin, alle waren tot.
Ich fühlte mich wie betäubt. Geräusche klangen dumpf, wie unter Wasser. Ich konnte sie nicht zuordnen. Dann spürte ich eine Hand auf meiner Schulter. Schwerfällig zog ich die Hände vom ...
... Gesicht und schaute in die feuchten Augen meiner Tochter. Lisa kniete neben mir. Schweigend nahmen wir uns in den Arm. Hinter ihr stand Lena. Sie hatte auch einen tränengefüllten, verklärten Blick.
Ich drückte Lisa an mich heran und hielt meine Hand nach Lena ausgestreckt. Sofort war auch sie bei mir. Zusammen saßen wir eine ganze Weile auf dem kalten Boden und schluchzten um die Wette.
Nein! Ich war nicht allein. Ich hatte noch Lisa und Lena. Meine Engel brauchten mich jetzt! Beiden lief die Schminke übers Gesicht. Sie wirkten wie surreale Trauermasken. Unglück brachte damals unsere Familie zusammen. Durch ein weiteres Unglück hatten wir sie auf einen Schlag wieder verloren. Es gab nur noch uns Drei!
Wie und wann ich ins Bett gekommen war, weiß ich nicht mehr. Ich war irgendwann darin aufgewacht und fand Lisa und Lena neben mir in Schlaf-Shirts liegen. Auch ich hatte T-Shirt und eine Unterhose an.
Der Zauber vom Vortag war vergangen, als ob es ihn nie gegeben hätte. Ich hatte jetzt andere Sorgen. Ich musste aufstehen, im Kopf klar werden und auf meine beiden Engel achtgeben, sie waren das einzige, was mir noch geblieben war, die einzigen, die für mich noch zählten.
Kapitel 6 -- Alles wird anders
Sonntag, 16.10.2016 -- Freitag, 28.10.2016, Hannover
Frank
Es gab viel zu tun. Die Polizei brauchte weitere Daten von mir, Formalien. Zudem musste die Beisetzung organisiert werden und Behördengänge erledigt. Lena blieb natürlich bei uns wohnen. Sie sah es als ...