1. London Calling 01


    Datum: 30.05.2019, Kategorien: Erotische Verbindungen, Autor: byplusquamperfekt

    ... wollte ich keine misslungene Flucht riskieren. Ich hatte eh ziemlich Schiss, gleich furchtbar für meine Zahlungsunfähigkeit auf die Fresse zu kriegen.
    
    „Pete, lass gut sein, er hat mich mehr. Das ist kein Touri, sondern ein ganz armer Schlucker, der in Camden lebt. Lass ihn in Ruhe und nimm was er hat. Lass ihm bitte auch noch ein paar Pfund für die U-Bahn."
    
    Der grobschlächtige Mann grummelte zwar noch etwas, aber begnügte sich tatsächlich mit Geld, was ich ihm mit zitternden Fingern in seine Pranke legte. Ich war fassungslos. Abgezogen in einer Touristenfalle. Wie blöd war ich eigentlich?
    
    „Trink aus und verpiss dich."
    
    Dann zog er wieder ab. Joelle sah an mir vorbei. Ihre Gewissensbisse waren ihr deutlich anzusehen. Ich war erst einmal viel zu aufgeregt, um gleich loszuschießen. Mit einer eigenartigen Faszination sah ich, wie sich das Schauspiel am Nebentisch mit zwei japanischen Touristen wiederholte.
    
    „Es tut mir leid."
    
    Ich sah Joelle unverwandt an. Sie hatte keine Schuld. Das war schließlich ihr Job. Und es war meine eigene Dummheit gewesen, nicht auf die gottverdammte Karte zu gucken. Was für ein Dreck.
    
    „Lass man, danke, dass du mich vor Schlägen bewahrt hast. War meine eigene Schuld. Wer so blöd ist, hat es auch verdient, abgezogen zu werden."
    
    Sie sah mich mitleidig an.
    
    „Halte dich von Schuppen wie diesem hier fern. Die sind hier alle so. Eine Live-Show gibt es nicht. Die Live-Show ist die Abzieherei."
    
    „Das hätte ich mir irgendwie ja auch ...
    ... denken können. Verdammt. Davon hätte ich locker zwei Wochen leben können. Aber mach dir keine Gedanken, ich bin von dieser Art des Amüsements auch nachhaltig kuriert."
    
    Sie seufzte.
    
    „Glaub nicht, dass mir das Spaß macht. Ich suche schon verzweifelt was anderes, normales. Aber sie zahlen halt sehr gut und es ist keine schwere Arbeit. Und wer mich anlangt, kriegt von Pete oder Norman auf's Maul."
    
    Ich nahm ihr die Geschichte wirklich nicht übel und wiederholte das auch noch einmal. Am Nebentisch gab es die Stunde der Wahrheit und zwei gelbe Gesichter wurden blass. Hätte ich vielleicht versuchen sollen, sie zu warnen? Ich schüttelte noch einmal den Kopf und stand auf.
    
    „Na, dann tschüss, Joelle. Viel Glück mit deiner Mucke, und ich hoffe, dass du es schaffst, aus diesem Drecksladen hier rauszukommen."
    
    Sie seufzte erneut und hielt meine Hand fest.
    
    „Du tust mir echt leid, normalerweise haben wir hier wirklich nur Touristen ... ich mag dich, Tom. Ehrlich. Ich fühl mich echt richtig schmutzig deswegen ..."
    
    „No hard feelings."
    
    Das meinte ich auch so. Noch einmal hinderte sie mich am gehen.
    
    „Pass auf, ich hab in einer Stunde Feierabend. Nicht weit von hier ist ein Pub, der sich Red Lion nennt. Dort kostet das Bier nur etwas mehr, als in Camden. Warte da auf mich. Ich geb dir was von meinem Anteil wieder, aber ich krieg das Geld erst am Ende meiner Schicht. Okay?"
    
    In einer Mischung aus gekränktem Stolz und einer Art „ich hab's doch nicht anders verdient" wollte ...
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