1. Nettis Haus


    Datum: 28.07.2019, Kategorien: Berühmtheiten Autor: Maria_Heinz

    ... beantworten. Du siehst mich mit deinen Augen, empfindest mich mit deinem Herzen als häßlich, nachdem Du in deinen Kristall gesehen hast. Deine Wahrnehmung ist ein Erzeugnis deiner Seele, wie du wissen musst. Und Erzeugnisse einer Welt der Seele sind immer hässlich vor Schönheit und schön vor Hässlichkeit, das ist die Regel. Warum das so ist, kann ich Dir auch nicht sagen, ich habe die Welt nicht erfunden. Der Erfinder wird geistig recht verwirrt gewesen sein, dafür spricht alles. Aber das wirst Du mit den Jahren schon noch selbst herausfinden." Während dieser Worte hatte sie mir einen Lappen, auf die Stirn gelegt und einige stinkende Kräuter ins Feuer geworfen. Ich musste husten. Diese Anstrengung brachte mich wieder voll in die Realität zurück. Munter sah ich mich in dem Raum um und setzte mich auf. Sie drehte mir den Rücken zu und ich hörte das Scharren von Kristall auf Kristall. Als sie sich mir wieder
    
    zuwandte, war der faszinierende Quader verschwunden. "Hallo Satyra. Na, wie gehts Dir?" Mit ihrer Stimme verschwand die Erinnerung an das gerade erlebte mehr und mehr. Trotzdem hatte ich keine Orientierung. Wo war ich hier? Wer war denn nun dieses Wesen? Warum war ich hier, und wie lange schon? Wo war meine Mutter? Verwirrt sah ich mich um. Der Raum war nicht besonders hoch und hatte eine gewölbte Decke. Die Wände bestanden aus Quadern, aus einem mir unbekannten Material. Sie leuchteten sanft in den verschiedensten Farben. Ich befand mich gegenüber von einem Kamin, der ...
    ... beinahe die gesamte Breite des Raumes ausmachte. Es gab weder Tür noch Fenster. Die Frau kam mir seltsam vertraut vor, obwohl ich das Gefühl nicht loswurde, sie noch nie zuvor gesehen zu haben. Überhaupt hatte ich irgendwie den Eindruck, gerade in diesem Moment erst real geworden zu sein. Doch vermochte ich all das nicht in Worte zu fassen. Die Frau ( woher wusste ich eigentlich, was eine "Frau" war?) setzte sich mir gegenüber hin und reichte mir einen Becher. "Trink vorsichtig, es ist noch sehr heiß! Inzwischen will ich
    
    versuchen, Dir zu erklären, was ich weiß."
    
    II
    
    "ES IST WEG!!!" Der Ruf wurde von unzähligen Kehlen wiederholt und brachte die vor dem Tempel versammelte
    
    Menge in Aufruhr. Schon begannen die ersten Männer, sich rücksichtslos an Frauen und Kindern vorbei zum Hohepriester vorzudrängen. Von den Bergen erschollen Signalhörner. "Alle Männer zu mir!" tönte die Stimme
    
    des Priesters durch das allgemeine Durcheinander. "Die Göttin wird unsagbar erzürnt sein, wenn sie das Opfer
    
    nicht zur festgesetzten Stunde auf dem Altar vorfindet! Wir müssen alles tun, um sie zu versöhnen!" Inzwischen
    
    hatten sich die meisten Männer vorn eingefunden. Die Frauen drückten verängstigt ihre Kinder an sich. Sie ahnten
    
    Unheil. "Besänftigung der Göttin" bedeutete hierzulande nichts anderes als Menschenopfer. Für würdig schienen
    
    jedoch stets nur Kinder befunden zu werden, was die wachsende Unruhe unter der Menge der Mütter erklärte. Doch wagte keine, sich abzuwenden. ...
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