1. Mittwochmittag


    Datum: 06.11.2019, Kategorien: Hausfrauen Autor: bydie_sense

    ... erwachsene Menschen, Bekannte womöglich. Souveränes Lächeln, Bauch rein, Brust raus. Ein roter Laster von vorn. So einer mit offener Ladefläche. Warum rast der Idiot so...?
    
    So, Fahrrad steht gut. Körbchen über den Arm. Und losgehopst wie das Rotkäppchen. Märchenbücher sind wirklich die Pest. Spätestens, wenn man sie mehr als einhundert Mal vorgelesen hat. Drängen sich einfach so ins echte Leben. Fehlt nur noch der Wolf... pfffffff. Mir geht die Luft aus. Der Wolf. Stütze mich kurz an einem Schaufenster ab. Atmen. Ich bin ruhig, ganz ruhig. Er ist mein Wolf. Warum wird mir das gerade jetzt klar? Ich richte mich auf und schaue mich um. Niemand hat etwas bemerkt, niemand interessiert sich für mich. Dann kann ich auch einkaufen gehen, oder?
    
    Lustig, die Frau da, vor meiner Lieblingsbuchhandlung, trägt ein weinrotes Seidentuch über ihrer weißen Bluse. Steht ihr gut. Ganz ohne Flecken. Fast hätte ich laut losgeprustet doch dann stockt mir schon wieder der Atem. Die trägt meine Schuhe. Die Schuhe, die ich noch nie getragen habe und sie geht damit als wäre sie mit diesen verrückt hohen Absätzen auf die Welt gekommen. Eine atemberaubend -- wirklich, ich muss aufhören, die Luft anzuhalten! -- schöne Frau. Mit langen braunen Locken, meinem Tuch und meinen Schuhen. Frechheit, wie kann die nur so gut aussehen? Wie ferngesteuert folge ich ihr durch die Stadt, vorbei an den Schaufenstern, vorbei an meinem Gemüsemann, durch einige Läden. Grauer Rock, schwarze Strümpfe -- wie aus ...
    ... einer Männerphantasie, eine geschmackvolle, sauteure Handtasche über dem Arm. Sie scheint kein Ziel zu haben, schlendert einfach so durch die Gegend. Unverschämt elegant. Und ich hinterher. Mit Abstand. Obwohl ich sie am liebsten packen würde. Und anschreien. Was bildest Du dir ein. Mein Geheimnis hier so zur Schau zu stellen und dabei noch so unglaublich schön auszusehen. Ich will aufwachen aus diesem Alptraum. Sie winkt einem Mann zu, der prompt die Straße überquert und sie umarmt. Natürlich umarmt die Kuh ihn nicht einfach zurück, sondern richtet sich auf die Zehenspitzen. Bei jedem Küsschen, links, rechts, kleine Pause, wieder links hebt sie den linken Fuß nach hinten ab und federt mädchengleich, engelsgleich. Französisch, ha! Gibt's doch gar nicht. Schlampe!
    
    Mit meinem Korb bleibe ich an einem Zeitungsständer hängen. Und reiße ihn um. Jetzt interessiert sich jemand für mich. Alle irgendwie. Ich laufe knallrot an. Auf den Knien liegend versuche ich gleichzeitig, die Zeitungen zu bergen und den Ständer wieder aufzurichten. Ständer aufrichten? Was ist jetzt daran witzig? Wo ist sie hin? Ich bin panisch. Versuche sie wiederzufinden. Umsonst. Sie ist weg. Wohin so schnell? Komplette Leere. Alle Energie verpufft. Nicht auf dem Bürgersteig zusammenrollen und schlafen. Die Zeitungen. Ich muss die Zeitungen aufräumen. „Gute Tarnung!".
    
    Was ist das? Langsam werde ich wieder klar. In meinen Händen halte ich einige Magazine. Meine Knie tun weh. Mein Blick fällt auf ein Paar ...