Zickenschlacht + Die Stellvertreterin komplett
Datum: 08.11.2019,
Kategorien:
Kunst,
Autor: Anonym
... Selbstbewusstsein zeigen, Barbara. Oder doch lieber Jonny? Ich lasse die olle ängstliche Barbara auf der letzten Treppenstufe stehen, vergesse sie und öffne die Tür als „Jonny“.
Den Namen hat mir Andreas verpasst, als ich sein weiblicher Kumpel geworden war. In dem riesengroßen Dachbodenatelier stehen etwa 10 bis 12 Leute. Männer und Frauen, alte und junge. Die älteste Frau schätze ich auf
50, den jüngsten Mann etwa auf 18, so über den Daumen gepeilt. Sie lachen nicht und sie zeigen auch nicht mit Fingern auf mich. Es herrscht fast absolute Stille. Ich werde erwartet. Das kann ich spüren. Und spüren kann ich auch Verunsicherung bei ihnen und eine gewisse Distanz. Zwei junge Männer, die ihre Hocker zwischen mir und dem halbhohen Podest in der Mitte des Raumes hingestellt hatten, schieben diese hastig weg und machen eine Gasse frei. Die Gasse ist wesentlich breiter, als es erforderlich gewesen wäre. Meine Augen suchen einen Halt. Da ist Andreas. Er stand bisher neben dem Podest und kommt mir jetzt mit ausgestrecktem linken Arm entgegen.
„Na endlich, da kommt sie ja! Liebe Kursteilnehmer, darf ich vorstellen: Johanna, unser heutiges Modell. Sie hat sich bereit erklärt, uns für die nächsten zwei Stunden den unverhüllten Anblick ihres naturgegebenen Körpers zu schenken. Ob es euch auch gelingt, ihre Seele unverhüllt zu erhaschen, liegt ganz bei jedem von euch selbst. Das wäre dann wahre Kunst und ich wäre darüber sehr erfreut. Die Johanna sicher auch“
Johanna? Warum ...
... denn jetzt nicht Jonny? Trage ich einen Heiligenschein? Er möchte das wohl im privaten Rahmen belassen. Auch gut. Bin ich eben Johanna. Oder will er mir vielleicht damit etwas Bestimmtes sagen, das nur ich verstehen soll? Zum Beispiel:
„Pass auf Jonny, das hier ist eine seriöse Veranstaltung und ich möchte nicht, dass du hier das wilde Weib heraushängen lässt.
Spiel mir das Lied von der heiligen Johanna, Jonny.“
Ich sehe ihm in die Augen und er nickt. Ich grinse und nicke zurück.
Aber ich will jetzt noch nicht auf dieses Podest steigen. Es soll nicht zu meinem Schafott werden. Ich bin nicht die Anna Boleyn.
Mich stört diese unsichtbare Mauer aus Zurückhaltung, Verschämtheit und Distanz. Die Leute behandeln mich wie Luft. Für die meisten bin ich die Unsichtbare. The invisible Johanna. Was denken die jetzt? „Was ist das denn für eine? Warum macht die das? Wie kann die Schlampe bloß so herumlaufen? Ich würde mich an ihrer Stelle in Grund und Boden schämen.“
Oder einfach: „Darf ich da wirklich hingucken?“
Was hätte ich denn an ihrer Stelle noch vor 2 Stunden gedacht, wenn plötzlich hier ein ganz nackter Mann hereingekommen wäre?
Ich verstehe. Aber ich muss diese Mauer zerbrechen, auflösen, abtragen, sonst werde ich mich hier nicht wohl fühlen. Wie wollen die denn meinen Körper zeichnen, wenn sie mich nicht mal richtig ansehen können? Oder tun die etwa nur so scheinheilig? Brauchen die etwa eine Aufforderung, um mich offen anzusehen? Ein „Los jetzt, Augen auf ...