1. Die Hexe - Teil 2


    Datum: 11.12.2019, Kategorien: Medien, Autor: Anonym

    Als ich im Badezimmer das Licht einschaltete, erklang ein Brummen. Es ging rasch in ein Surren über und ein Rauschen gesellte sich ihm hinzu. Ein Strom warmer Luft kam herangeweht, der meine Beine liebkoste. Ich folgte diesem Strom bis zu dem Gitter in der Wand, dem er entsprang, ging in die Hocke und drehte und wendete mich in ihm und genoss seine sanfte Berührung auf meinem Körper.
    
    Ich sah mich um.
    
    Das Bad war sehr geräumig, war ganz mit Kacheln ausgekleidet, deren roséfarbener Ton angenehm und beruhigend auf mich wirkte und enthielt neben einer Wanne auch eine Dusche. Über einer breiten Stange hing ein Badetuch und auf dem Schildchen über ihm las ich die Worte „Für unsere Gäste“.
    
    Mir meine Füße zu waschen, hatte Dominika mir aufgetragen, aber sie würde wohl nichts dagegen einzuwenden haben, wenn ich mich abbrauste, denn umso frischer würde ich dann sein.
    
    Frisch
    
    und
    
    bereit für sie!
    
    Ich näherte mich der Stange, vergrub meine Nase im blütenweißen Flausch des Tuchs, sog seinen Duft ein, der mich an Flieder erinnerte und nahm es ab.
    
    Der Wollust einer ausgedehnten Dusche gab ich mich hin und verließ danach das Badezimmer, in dem es heiß und dämpfig geworden war.
    
    Draußen im Flur war niemand zu sehen.
    
    Ich ging zu der Stelle, an der ich mich hatte ausziehen müssen, suchte nach meinen wenigen Kleidungsstücken und nach meiner Umhängetasche mit dem Handy darin, dem Geldbeutel, dem Personalausweis, suchte nach meinen Schuhen. Fand nichts von all ...
    ... dem!
    
    Eine jähe Angst stieg in mir auf!
    
    „Dominika, wo bist du?“.
    
    Stille. Nur das Ticken einer Standuhr war zu hören.
    
    Was für ein Spiel trieb sie mit mir?
    
    Sollte ich mich - aller meiner Sachen beraubt-
    
    in diesem großen, fremden Haus auf die Suche nach ihr machen?
    
    Oder hatte sie mich am Ende belogen? Was wäre denn, wenn außer ihr noch jemand anderes zugegen war? Jemand, der auf mich lauerte! Dem ich nackt in die Arme laufen sollte!
    
    „Lucia, du blöde, kleine Zicke, hast dich in eine Falle locken lassen!“ dachte ich. „Bist blind vor lauter Geilheit in sie hineingetappt!“ Panik erfasste mich! Ich lief zur Haustür, drückte auf die Klinke, fand die Tür verschlossen vor. Die Fenster! Ich sah mich um, aber kein Fenster war zu erkennen. Das hier war ein dunkler Flur.
    
    „Oh Gott!“
    
    Alle Wärme, die die Dusche mir gespendet hatte, war verflogen. Ich fröstelte, schlug hilflos mit der Faust gegen die schwere Eingangstür, spürte wie ein scharfer Schmerz mir in die Hand fuhr, kam durch ihn jedoch zur Besinnung. „Ruhig, Lucia, ganz ruhig“ sagte ich leise vor mich hin. „Kleine, dumme Lucia! Du bist gefangen, aber einen Ausweg muss es geben! Such nach ihm!“
    
    „Das Badezimmer!“ Ich lief hinein, nahm das Badetuch auf und umhüllte mich damit. Es war feucht und gewährte mir nur wenig Schutz, aber etwas sicherer fühlte ich mich doch damit.
    
    Zurück im Flur rief ich nochmals nach Dominika. Nur das entfernte Miauen einer Katze antwortete mir. NUR einer Katze? Ich war nicht mehr allein! ...
«123»