1. Weihnachtsengel


    Datum: 29.01.2020, Kategorien: Hardcore, Humor Autor: Robbiene

    Ich konnte das scheinheilige Getue nicht mehr ertragen. "Frohe Weihnachten! Wie geht es dir?"
    
    Jetzt mal ganz ehrlich: 'Schlecht', wird als Antwort doch eh nicht akzeptiert. Letztendlich ist doch jeder froh, wenn die Feiertage mit all der maßlosen Fresserei und dem erzwungenen Beisammensein vorbei sind.
    
    Ich hatte ein komplett beschissenes Jahr hinter mir. Im Frühling erhielt ich die schriftliche Kündigung meines langjährigen Jobs. Infolgedessen konnten meine Freundin Simone und ich unseren geplanten Sommerurlaub nach Griechenland nicht mehr finanzieren. Im Herbst dann ein unverhoffter Wasserrohrbruch in der Küche (natürlich hatte ich keine Hausratversicherung, die für die Schäden aufkam). Und als ich dachte es könne nicht mehr schlimmer kommen, überraschte ich Simone dabei, wie sie gerade genußvoll den Schwanz des beauftragten Installateurs ritt. Das Bild des am Küchenboden liegenden Handwerkers, auf dessen beeindruckendem Schwanz sie sich aufgespiesst hatte, bekomme ich bis heute nicht mehr aus meinem Kopf. Mein Leben war grau geworden und so kaum noch auszuhalten. Frustriert, enttäuscht und zynisch verbittert wartete ich nun, welche Katastrophe der Winter wohl für mich bereit hielt.
    
    Aus schwermütiger Bequemlickeit hatte ich meiner Familie noch nichts von der unvermeidlichen Trennung mit Simone erzählt. Ich hatte einfach keine Lust und Kraft auf die unvermeidlichen Gespräche und nervigen Fragen, die das Ganze mit sich brachte. Schon gar nicht zu Weihnachten. Sie ...
    ... schienen nichts zu ahnen. Lediglich meine ältere Schwester Birgit schaute skeptisch und lauernd zwischen uns beiden hin und her. Sie ahnte vermutlich etwas. Mir war der Appetit gründlich vergangen. Ich wollte nur noch weg und allein sein. So stand ich auf und entschuldigte mich mit der Ausrede, das es mir nicht so gut ginge. Simones sorgenvollen Seitenblick ignorierte ich angewidert. Ich zog mir Stiefel und meine warme Winterjacke an und lief ziellos die Strasse entlang. Nur raus aus diesem verlogenen Haus. Ich ließ das weihnachtlich geschmückte Dorf hinter mir und lief auf den schmalen schneebedeckten Pfad zu, der auf den angrenzenden Berg führte. Ich durchstreifte den kleinen Fichtenwald, der wie hell erleuchtet wirkte. Schneebedeckte Äste glitzerten funkelnd im Mondlicht.
    
    Weihnachtlich glänzet der Wald
    
    Etwas außer Atem kam ich oben auf dem Berg an und setzte mich auf eine einsame Bank. Niedergeschlagen schaute ich hinunter ins Tal, auf das Dorf mit seinen vielen kleinen Lichtern. Hell erstrahlten die unzähligen Tannenbäume hinter den Fenstern. Dieser Anblick trügerisch weihnachtlicher Harmonie war für mich kaum noch zu ertragen. Erschöpft legte ich mich auf die breite Sitzfläche der Bank, um ein wenig auszuruhen. Blinzelnd schaute ich in den sternenklaren Himmel. In kleinen weißen Rauchwolken stieg mein Atem empor. Erschöpft schloss ich die Augen und lauschte in die
    
    Stille Nacht
    
    Als ich die Augen wieder öffnete spürte ich die zunehmende Kälte. Am Himmel nahm ich ...
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