1. London Calling 02


    Datum: 28.03.2020, Kategorien: BDSM Autor: byplusquamperfekt

    ... ganze Nacht wach gelegen, um zu dieser Entscheidung zu finden. Versteh mich nicht falsch, du bist eine klasse Frau und echt faszinierend ... du weckst Gefühle und eine Lust in mir, die mir teilweise richtig Angst macht. Aber ich krieg das nicht hin ..."
    
    „Was kriegst du nicht hin?"
    
    „Diese Art des Lebens ... diese Art von Beziehung ... losgelöst von allem ... Mist, ich kann es nicht vernünftig erklären ..."
    
    Sie schlürfte schweigend ihren Tee.
    
    „Nimm doch einen von den Keksen. Die sind richtig lecker."
    
    Nahm sie meine Bedenken überhaupt nicht ernst? Oder war ich ihr so gleichgültig, dass sich bei ihr nicht einmal Widerspruch regte?
    
    „Du hast nichts dazu zu sagen?"
    
    „Nichts, was dir in diesem Moment weiterhelfen würde. Du möchtest, dass ich deine Bedenken einfach zerstreue oder darüber hinweg stiefele, dich richtig dominiere, dir keine Zeit zum Nachdenken lasse. Dir befehle, dich mir vollständig auszuliefern. So funktioniert das aber nicht. Außerdem hast du den festen Glauben, dass dieser Grad von Intimität und Vertrauen nur auf Menschen beschränkt sein sollte, die sich lieben. Und mit solchen Gefühlen hat unsere Beziehung nichts zu tun."
    
    So klar war mir die Geschichte nicht einmal selbst geworden. Mein Respekt für ihre empathischen Fähigkeiten wuchs. Sie zündete sich eine Zigarette an.
    
    „Du hast das Gefühl, du bist noch nicht soweit. Das diese Art der Beziehung ein Aufgeben ist. Einerseits ein Aufgeben der Hoffnung auf das Happy-End mit der kleinen ...
    ... Italienerin, andererseits eine Aufgabe des Gefühls, dein Leben halbwegs kontrollieren zu können."
    
    Ich schwieg betroffen. Sie las wirklich in mir, wie in einem Buch.
    
    „Und jetzt hoffst du inständig, dass ich für uns beide eine Entscheidung treffe. Den Gefallen tue ich dir aber nicht. Du bist harmoniesüchtig, es muss alles zueinander passen und darf dein Selbstbild nicht gefährden. Du hast Seiten an dir entdeckt, die du nicht kennst und die dir Angst machen. Ich kann dir die Angst nicht nehmen. Die Angst ist Teil der Erfahrung. Ihre Überwindung ist die Befreiung, die du suchst. Nicht die Flucht vor ihr. Verstehst du?"
    
    „Vielleicht nicht vollständig. Du glaubst also, dass ich so bin, wie ihr? Das du mich sozusagen wachgeküsst hast und ich jetzt gefälligst der Realität in die Augen sehen soll?"
    
    Sie schüttelte langsam den Kopf.
    
    „Was heißt denn wie ihr? Meinst du, Tina, Shawn und Jamie sind genau so wie ich? Wir sind alle Individuen mit völlig unterschiedlichen Bedürfnissen, Geschichten und Gefühlen. Was sich gleicht, ist höchstens, dass wir alle irgendwann an einem Punkt waren, wo wir unsere Neigungen in unsere Persönlichkeit integrieren mussten; wo wir lernen mussten, uns dafür weder zu schämen, noch zu hassen. Zu akzeptieren, dass das Spiel mit der Macht, der Kontrolle und dem Schmerz auch etwas ist, das uns definiert. Dass es Ecken und scharfe Kanten in uns und unserer Persönlichkeit gibt, an denen man sich und andere auch verletzen kann. Dass Schmerz die Seele reinigen ...
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