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Die zweite Chance
Datum: 25.04.2020, Kategorien: Romane und Kurzromane, Autor: byswriter
... nach: „Es ist nur ein Kaffee ... Bitte, Sie würden mir damit eine große Freude bereiten. Ich entdecke erst frisch mein Interesse an der Kunst und an den schönen Dingen der alten Zeiten und würde mich sehr freuen, mit jemandem vom Fach darüber diskutieren zu können." Erika räuspert sich. Ich stelle beiläufig fest, dass sie nicht minder unscheinbar gekleidet ist wie am Vortag. Ein bunter Rock wurde mit einer weißen Strickjacke kombiniert. Sie versprüht nicht gerade Erotik pur und doch ist sie diejenige, an die ich mich ranmachen muss. „Ich danke Ihnen für das nette Angebot", erwidert Erika. „Aber Sie sehen ja, dass ich hier ein Geschäft zu hüten habe. Ich habe Kunden, die ebenfalls beraten werden müssen." „Ich sehe keine", stelle ich fest und mache eine übertriebene Geste mit den Armen, während ich mich im Laden umsehe. „Nun ja. Viel ist tatsächlich nicht los", gibt die 42-Jährige zu. „Aber es könnte jederzeit ..." „Schließen Sie das Geschäft für eine Stunde und begleiten Sie mich in ein Café", schlage ich vor. „Ich weiß nicht." „Sind Sie nicht an einer gepflegten Unterhaltung über die schönen Künste interessiert?" Ich baue darauf, dass sie nicht viel Kontakt zu ihren Mitmenschen pflegt und nicht viele Gelegenheiten erhält, sich nett zu unterhalten. Ich erkenne, wie ihre Zurückhaltung bröckelt, und lege nach. „Kommen Sie ... Mein Name ist übrigens Mark." „Erika", erwidert sie verhalten. „Das weiß ich." Sie wirft mir einen fragenden Blick zu. ...
... „Woher wissen Sie ...?" „Steht draußen auf dem Schild an der Tür", wage ich einen Schuss ins Blaue und habe offenbar recht, da sich Erika merklich entspannt und mich freundlich anlächelt. „Also gut. Aber nur für eine Stunde. Länger kann ich mir das nicht erlauben." Ich feiere den kleinen Etappensieg im Stillen und sehe ihr zu, wie sie nervös durch den Laden streift und schließlich mit einer viel zu großen Handtasche abmarschbereit vor mir steht. Erika schließt das Geschäft ab, und gemeinsam machen wir uns auf den Weg zu einem gemütlichen Café, das ich zuvor ausgekundschaftet habe. Wir nehmen an einem kleinen Tisch am Fenster Platz und bestellen unsere Getränke. Ich lade Erika zu einem Stück Kuchen ein und genehmige mir selber ein Stück Torte. Ich versuche, mich an eine Dokumentarsendung über Antiquitäten zu erinnern, die ich vor ein paar Wochen zufällig im TV gesehen habe, und werfe den ein oder anderen Brocken meines rudimentären Wissens über Kunst in den Ring. Erika geht auf mich ein und es entwickelt sich ein angenehmes, wenn auch etwas steifes Gespräch. Ich wage, mich nach ihren persönlichen Verhältnissen zu erkundigen und erfahre, dass sie das Antiquitätengeschäft seit über zehn Jahren führt und mit ihrer Arbeit glücklich ist. Ich sehe das Strahlen in ihren Augen und glaube ihr. Was meine Arbeit betrifft, bleibe ich bei der Wahrheit und stelle mich als Reiseverkehrskaufmann vor, der einen Kurzurlaub in München verbringt. Erika ist sogleich Feuer und Flamme und ...