1. Die zweite Chance


    Datum: 25.04.2020, Kategorien: Romane und Kurzromane, Autor: byswriter

    ... Auch wenn ich nur Vermutungen zu Erikas Kleidergröße anstellen kann, entscheide ich mich für ein schönes schwarzes Abendkleid und bezahle mit dem Geld aus dem Koffer. Erika ist schlank, scheint eine gängige Größe zu tragen und ich habe nicht das erste Mal auf Verdacht ein Kleid für eine Frau gekauft, sodass ich mir sicher bin, dass es passen wird.
    
    Ich vereinbare, dass das Kleid noch am gleichen Nachmittag im Antiquitätengeschäft zugestellt wird, und schreibe ein paar Zeilen auf einem Briefbogen dazu.
    
    „Liebe Erika,
    
    ich habe unser Gespräch sehr genossen und musste leider feststellen, dass das Treffen viel zu kurz war. Ich würde mich gerne ein weiteres Mal mit Ihnen treffen und würde mich freuen, wenn Sie meine Einladung zu einem Abendessen an diesem Tag annehmen würden. Ich erwarte Sie gegen 20 Uhr im Restaurant ,Mondschein' und Sie würden mir eine große Freude bereiten, wenn Sie mein kleines Geschenk annehmen und für mich tragen würden. Ich freue mich auf einen schönen Abend.
    
    Mark"
    
    Mir ist bewusst, wie kitschig die Einladung ist und dass so eine Nummer wahrscheinlich nur in Amerika und vorzugsweise in kitschigen Filmen funktionieren wird. Zudem befürchte ich, dass Erika das Kleid als Mutmaßung meinerseits auffassen wird, dass sie selber keine anständige Garderobe vorweisen kann. Schließlich gebe ich die Lieferung in Auftrag und lege meinen Brief dazu. Ich bezahle, danke der Verkäuferin und sehe ihr zum Abschied auf das pralle Dekolleté und den süßen ...
    ... Knackarsch. Dann widerstehe ich dem Drang, mich vor dem Antiquitätengeschäft auf die Lauer zu legen und die Lieferung abzuwarten und kehre zum Hotel zurück. Ich vertraue auf die Wirkung des Plans und bereite mich auf den gemeinsamen Abend mit Erika vor.
    
    Ab halb acht sitze ich im Restaurant und mustere jeden eintreffenden Gast. Ich trage erneut einen schicken Anzug, dieses Mal mit Krawatte. Die Gäste sind gut gekleidet und ich bin mir sicher, dass Erika mit ihrer Strickjacke wie ein bunter Hund auffallen würde. Ob sie kommt? Hat sie mein Geschenk als anmaßend empfunden? Gegen zehn nach acht werde ich nervös. Hat sie sich nur verspätet oder gibt sie mir einen Korb? Ich trinke Wein, um meine Nervosität zu bekämpfen. Immer neue Gäste betreten das Restaurant, doch von Erika ist weit und breit nichts zu sehen. Als ich schon glaube, dass meine ungewöhnliche Einladung ein Schuss ins Wasser war, betritt eine Frau das Restaurant, die meine Aufmerksamkeit erregt.
    
    Ich erkenne Erika nicht sofort. Die Frau trägt ein schwarzes Kleid über dem schlanken Körper. Das Outfit stellt keinen Vergleich zu dem Vorherigen dar. Das Kleid passt wie angegossen und betont Erikas durchaus vorhandene weibliche Vorzüge. Ich blicke ihr ins Gesicht und sehe die Unsicherheit. Sie fühlt sich nicht wohl in ihrer Haut. Ob wegen des tiefen Ausschnitts des neuen Kleides oder wegen der Umstände kann ich nicht sagen. Sie sieht sich unsicher um und wird nun von dem Ober angesprochen. Dieser weist auf meinen Tisch und ich ...
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