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Die zweite Chance
Datum: 25.04.2020, Kategorien: Romane und Kurzromane, Autor: byswriter
... das Bild einer Person. Ich starre auf das Foto und frage mich, wo es hergekommen sein mochte. Es misst gut und gerne einen Meter Kantenlänge und zeigt eine bieder und unscheinbar wirkende Frau, die ich nicht als interessant, geschweige denn als attraktiv bezeichnet hätte. „Das ist Erika Müller. Sie ist 42, wohnt in München, hat ein kleines Antiquitätengeschäft und lebt mit zwei Katzen alleine in ihrer kleinen Wohnung." Ich starre das Bild der Frau an und erkenne, dass sie ihre dunklen Haare hochgesteckt hat, eine unvorteilhafte Brille trägt und auch sonst nicht besonders anziehend auf mich wirkt. Mit einem langen, karierten Rock und einer grauen Strickjacke demonstriert sie eindrucksvoll, dass sie in Sachen Mode hinter der Zeit her hinkt. „Und was soll ich bei der ausrichten?", frage ich neugierig nach und habe keine Vorstellungen, was mich mit dem Mauerblümchen auf dem Foto verbinden soll. Gibron grinst zufrieden und freut sich offenbar, mir meine Aufgabe erklären zu dürfen. „Wie du unschwer erkennen kannst, ist Erika nicht gerade mit auffälliger Schönheit gesegnet. Und soweit ich weiß, ist sie auch sehr schüchtern, zurückhaltend und geht ihren Mitmenschen weitestgehend aus dem Weg." „Das wundert mich nicht." „Wie jeder Mensch hat aber auch Erika geheime Wünsche und Sehnsüchte", klärt mich Gibron auf. „Wir haben dieses Jahr nicht das erste Mal Erikas Wunsch vernommen, endlich einmal die Einsamkeit hinter sich zu lassen und das zu erleben, was vielen ...
... Mitmenschen vergönnt ist: die Nähe zu einem Partner." Ich starre Gibron ungläubig an. Dann richte ich meinen Blick auf Erika und kann nachvollziehen, warum sie keinen Mann an ihrer Seite hat. „Ist sie etwa eine alte Jungfer, die keinen Typen abbekommt?" „Es gibt halt Menschen, die nicht zu jeder Zeit mit anderen in die Kiste hüpfen und nichts zu schätzen wissen, als die Erfüllung ihrer sexuellen Bedürfnisse", wirft Gibron ein. „Nach meinen Unterlagen hat Erika es nie zu einem Freund gebracht. Tatsächlich wurde sie sogar noch nie von einem Mann geküsst oder zärtlich berührt. Von weiteren zwischenmenschlichen Interaktionen brauchen wir an dieser Stelle nicht zu reden ... Und nun kommst du ins Spiel." Ich sehe Gibron erwartungsvoll an und nehme das zufriedene Grinsen wahr. Es scheint ihm Spaß zu bereiten, mir meine Aufgabe zu präsentieren. „Sag schon! Was soll ich tun?" Mit breitem Grinsen blickt er mich an und sagt: „Du hast eine Woche Zeit, Erikas Herz zu erobern und ihr die Freuden der Sexualität nahezubringen." „Was?", schreie ich ihn an. „Wie soll das denn gehen ...? Sieh sie dir doch an? Die ist doch so vertrocknet, da beißt doch jeder auf Granit." „Genau", freut sich der Elf. „Deshalb finde ich die Aufgabe auch so passend für dich." Das freche Grinsen geht mir auf die Nerven und ich bin kurz davor, ihm meine Faust auf die Nase zu drücken. Da ich aber nicht weiß, ob das meine Bewährung gefährden würde, hebe ich mir die Aktion für später auf. „Jetzt mal ...