1. Teach In


    Datum: 20.05.2020, Kategorien: CMNF Autor: LaVie

    ... legen, damit ich Sie überwältige und Sie bewache. Sie wollen zeigen, dass Sie diese Macht aushalten. Sie machen das, was ich gemacht habe, als ich David beleidigt habe: Macht zeigen, weil man sie vor sich selbst nicht anerkennen kann."
    
    "Gute Schlussfolgerung, Diana. Und ein Armutszeugnis. Als Lehrer sollte ich Macht durchsetzen und nicht einfordern.", lächelt er gespielt.
    
    "Müssen Sie das?", frage ich.
    
    "Jeder findet seinen Weg. Wichtig ist, dass man den Schülern ein Vorbild ist, zu dem sie aufblicken können. Sie müssen mir vertrauen, dass ich sie durch den Schulstoff leite. Egal, wie schwer er ist und ob sie gerade Probleme haben. Ich muss gute und schlechte Launen kompensieren. Leider kompensieren die Schüler auch meine schlechte Laune. Sie haben ein gutes Gespür dafür, wenn Lehrer schwach sind."
    
    "Aber Sie sind nicht schwach!", stelle ich fest.
    
    "Ich gebe vor, stark zu sein. Es beruhigt mich, in meinem kleinen Universum die Kontrolle zu haben", erklärt er.
    
    "Aber damit schränken Sie die Schüler ein. Wenn es wichtiger ist Angst zu haben, als zu lernen, dann ist das nicht gut. Es führt zu Manipulation! Man versucht die Strafen zu umgehen!", wende ich ein.
    
    "Es beruhigt mich. Es gefällt mir.", sagt er fest. Ich habe nicht die Kraft, an seinen Grundsätzen zu hämmern. Und es ist nicht meine Aufgabe.
    
    "Wie fühlt es sich an, schwach zu sein? Ist das so schlimm für Sie?", will ich wissen.
    
    "Sag du es mir!", wirft er den Ball zurück.
    
    Ich erinnere mich an eine ...
    ... Situation im Kindergarten. Ein Mädchen hatte mir den Ball weggenommen. Und ich hatte nicht die Kraft, ihn mir wiederzuholen. Ich habe sie gebeten, ihm mir wieder zu geben, aber sie rannte weg. Dann setzte ich mich in eine Ecke und weinte. Ich habe mich damals sehr schlecht gefühlt und mir geschworen, dass mir so etwas nicht nochmal passiert.
    
    "Es war schrecklich. Erniedrigend. Ich dachte, ich hätte es besser machen können, aber... ich konnte nichts machen. Die Selbstvorwürfe sind schlimm. Das Gefühl, der Situation ausgeliefert zu sein."
    
    "Ja. Es ist bedrückend. Angst ist wie eine Autoimmunerkrankung - der Körper reagiert bei einem einfachen Reiz über und zerstört sich am Ende selbst"
    
    "Wie weit sind Sie vom Ende entfernt?", frage ich provokant.
    
    "Bis ich mich selbst nicht mehr ertrage oder bis mich die anderen nichtmehr ertragen?", entgegnet er.
    
    "Sagen Sie es mir!", kontere ich.
    
    "Ich denke, das dauert noch. Und vermutlich bin ich gerade einen Schritt zurück gegangen", antwortet er.
    
    "Ja."
    
    Herr Steinmann geht zu seinem Stuhl und setzt sich. Dann deutet er mir mit einer Handbewegung, mich neben ihn auf den Tisch zu setzen.
    
    "Was hälst du von mir, Diana?"
    
    "Warum wollen Sie das wissen?"
    
    "Ich will wissen, wieviel Macht ich habe", erklärt er lächelnd.
    
    "Ich denke, dass Sie viel Achtung genießen.", beginne ich. "Ihre Strafen gefallen nicht jedem, aber Sie bieten den Schülern Schutz - Sie schützen den Unterricht vor Störenfrieden. Und Sie können den Stoff ...
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