1. Teach In


    Datum: 20.05.2020, Kategorien: CMNF Autor: LaVie

    ... gut vermitteln. Wir mussten uns erst daran gewöhnen, dass es nicht darum geht, eine Meinung möglichst gut nachzuplappern, sondern eine eigene zu entwickeln. Das ist eine große Freiheit. Aber es macht Sie angreifbar, weil Sie unnahbar wirken. Es gibt viele Gerüchte über Sie. Vermutlich wollten Sie sich schützen und bewirkten das Gegenteil."
    
    "Ja, das ist richtig", Herr Steinmann fährt sich mit der Zunge über die Lippe und lächelt. Er blickt unruhig mit den Augen hin und her, als wenn er nicht wüsste, was er sagen sollte.
    
    "Wie sehen Sie die Kollegen?", will ich wissen.
    
    "Das ist eine sehr private Frage, Fräulein Weise.", zögert er. "Die Vorgänge im Kollegium sind nicht für Schüler bestimmt."
    
    "Aber wir bewegen uns im privaten Rahmen.", wende ich ein. "Außerdem interessiert mich nicht, was mein Mathelehrer macht. Ich will nur wissen, ob Sie haben, was Sie haben wollen."
    
    "Sie denken, mir sei die Anerkennung meiner Kollegen wichtiger als die der Schüler?", fragt er.
    
    "Ich weiß es nicht", entgegne ich. "Sagen Sie es mir"
    
    Herr Steinmann steht auf. Breitbeinig stellt er sich vor mich und sieht mich an. Seine blau-grauen Augen sprühen Funken.
    
    "Fräulein Weise. Ich wurde an diese Schule versetzt, weil meine Fähigkeiten außerordentlich sind und mein Lehrstil effektiv. Meine Schüler haben die besten Noten und zeichnen sich durch ein hohes Maß an Disziplin, Selbstständigkeit und Durchhaltevermögen aus. Ich wäre nicht so weit gekommen, wenn ich auf jede Emotion ...
    ... Rücksicht genommen hätte."
    
    "Mit anderen Worten", ich rücke ein Stückchen nach vorn und berühre seinen Oberschenkel. "Ihre Kollegen hassen Sie und Sie tun so, als sei Ihnen das egal"
    
    Er schlägt mit der Hand auf den Tisch und schnaubt: "Nein! Meine Kollegen wissen meine Fähigkeiten zu schätzen. Sie achten mich für meine Taten!"
    
    "Aber keinen interessiert Ihr Innerstes, weil Sie es nicht für stark genug halten, der Außenwelt zu widerstehen!", ich presse meine Hand auf seine und blicke ihn triumphierend an. "Ihre Kollegen sehen Sie genauso wie Ihre Schüler: Sie haben Angst und belächeln Sie. Sie wissen, dass hinter Ihrem aufgeblasenen Regelwerk nicht mehr steckt als heiße Luft. Oder Angst."
    
    "Ich habe mir diesen Status verdient!", brüllt er.
    
    "Sie haben sich ihn ergaunert. Sie haben Ihre Disziplin gegen Ihre Menschlichkeit eingetauscht!", werfe ich zurück.
    
    "Diese Menschlichkeit ist es wert beschützt zu werden!", fast wirft er mich um, doch ich bleibe standhaft.
    
    "Wovor, Betrich, soll deine Menschlichkeit beschützt werden?!", ich berühre seine Nase, doch das ist mir egal.
    
    Plötzlich drückte er mich auf die Tischplatte und rammt seine Nägel ins Holz.
    
    "Menschen sind böse!", wütend fährt er vor und zurück und reibt an mir. "Sie sind rücksichtslos! Eiskalte Wesen ohne eine Ahnung, wie weh sie Menschen tun können!" Immer heftiger wird seine Bewegung, immer größer die Schweißperlen, immer größer die Beule in seiner Hose.
    
    "Ich weiß!", rufe ich und habe das dringende ...
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