1. Göttliche Fügung


    Datum: 04.06.2020, Kategorien: Romantisch Autor: Freudenspender

    ... Fall lässt mich ihr Verhalten hoffen. Sie mustert mich auffallend eindringlich. Ihr Blick ist dabei weich und die Augen leuchten freundlich. Trotzdem wirkt sie sehr konzentriert.
    
    "Wie kommt eine hübsche, junge Frau, wie du, auf die Idee Pastorin zu werden?", erkundige ich mich.
    
    "Das ist eine lange Geschichte", meint sie. Jenny nimmt einen Schluck Wein und scheint zu überlegen.
    
    "Wir haben Zeit."
    
    "Du gibst ja doch keine Ruhe", kontert sie nach einer Pause. Dabei lacht sie sehr freundlich. Sie ist mir nicht böse. Das sehe ich sofort.
    
    "Meine Mutter wurde schwer krank, als ich etwa zehn Jahre alt war. Wochenlang lag sie im Krankenhaus und war viel zu schwach, um mich zu erkennen. Sie befand sich auf der Isolierstation und ich durfte nur durch eine Scheibe hindurch zu ihr ins Zimmer schauen. An guten Tagen konnte sie gerade so den Kopf heben und zur Scheibe blicken, hinter der ich ihr wie eine Wilde gewinkt habe. Aber solche Tage gab es nur wenige.
    
    Zweimal in der ganzen Zeit schaffte sie es sogar, mir zuzuwinken. Selbst ich als Kind konnte erkennen, wie sehr sie sich anstrengen musste. Trotzdem waren solche Zeichen mein einziger Halt und gaben mir unglaublich Hoffnung, dass sie es schaffen würde.
    
    Manchmal kam auch ein Onkel von mir zu Besuch, der Bruder meiner Mutter. Er war Pastor und hat mich immer aufgefordert zu Gott zu beten, damit es meiner Mutter bald wieder gutgehen würde. Das habe ich dann auch getan. Doch all meine Gebete schienen nicht zu helfen. ...
    ... Der Zustand meiner Mutter änderte sich nicht. Manchmal ging es ihr besser, manchmal dagegen miserabel."
    
    "Das muss für dich ganz schön schwer gewesen sein. Als Kind leidet man mit der Mutter mit."
    
    "Es war hart, das gebe ich zu. Als sich nach unzähligen Wochen der Zustand meiner Mutter, die ich heute noch unglaublich liebhabe, immer noch nicht gebessert hatte, wurde ich zunehmend unruhiger. Als mein Onkel wieder einmal zu Besuch war und mich zum wiederholten Mal aufgefordert hat, zu beten, da fasste ich einen Entschluss. Da Beten allein offenbar nicht stark genug war, versprach ich Gott, dass ich Klosterfrau oder Pastorin werden würde, wenn er meine Bitte erhören würde."
    
    "Das hat dann geholfen?"
    
    "Keine Ahnung, ob es mein Versprechen oder reiner Zufall war. Etwa eine Woche nach diesem Versprechen verbesserte sich der Zustand meiner Mutter deutlich und die Genesung schritt von da an rapide voran."
    
    "Trotz des Zweifels hast du dein Versprechen eingelöst?"
    
    "Ich wollte nicht den Zorn Gottes auf mich ziehen. Ich hatte Angst, dass sich dann der Gesundheitszustand meiner Mutter wieder verschlechtern könnte."
    
    "Aber das Versprechen stammte von einem Kind. Ein gütiger Gott kann nie und nimmer verlangen, dass jemand das Versprechen, das er in seiner kindlichen Naivität gegeben hat, auch einlöst."
    
    "Für mich war die Entscheidung nicht so schwer", meint sie beschwichtigend. "Ich bin möglicherweise nicht die Pastorin, die ganz tief im Glauben verwurzelt ist und meine ...
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