1. Langes Wochenende


    Datum: 20.06.2020, Kategorien: Romantisch Autor: Freudenspender

    ... die Arme um sie lege, wird mir bewusst, dass sie das auch falsch verstehen könnte. Zu meiner Erleichterung schmiegt sie sich eng an mich, legt ihren Kopf in meine Halsbeuge und weint.
    
    "Mein Leben ist ein einziger Scherbenhaufen", jammert sie. "Warum bin ich damals nicht auch im Auto gewesen."
    
    Ihre Worte treffen mich tief in meinem Herzen. Ein so junges Mädchen sollte nicht so verzweifelt sein, dass es auf solch abwegige Gedanken kommt. Ich sage aber nichts und halte sie einfach nur im Arm. Ich will ihr zeigen, dass ich für sie da bin. Ich hocke eine ganze Weile einfach nur neben ihr und halte sie umschlungen. Ich gebe ihr die Zeit, die sie braucht, um sich zu sammeln.
    
    "Sie müssen mich für eine dusselige Heulsuse halten", meint sie unter Sniefen. Inzwischen sind die Tränen versiegt.
    
    "Ich halte dich für ein junges Mädchen. Ansonsten bilde ich mir kein voreiliges Urteil", antworte ich. "Soll ich dich zurück ins Heim fahren."
    
    "Um Himmels Willen, Nein! Dort kann ich jetzt nicht einfach wieder aufkreuzen. Ich habe mich abgemeldet. Wenn ich jetzt zurückkomme, darf ich ein Jahr lang nirgends mehr hin."
    
    "Spinnen die?", entfährt es mir.
    
    "Das sind die Regeln", erklärt Anna achselzuckend. "Sie sind angeblich dazu da, dass wir nachdenken und bewusst handeln. Die Heimleiterin ist sehr streng."
    
    "Na dann, müssen wir eine andere Lösung finden", sage ich entschlossen. "Gibt es eine Freundin, zu der du gehen kannst?"
    
    "Nein, ich habe keine beste Freundin. Wenn man im ...
    ... Heim aufwächst und niemanden zu sich einladen kann, ist es sehr schwer, Freundschaften zu schließen. Deshalb habe ich doch gehofft, dass es auch bei Werner nur daran liegt."
    
    "Du hast allen Mut zusammengenommen und alles auf eine Karte gesetzt?"
    
    "So in etwa", gibt sie zu. Anna schaut mich dabei unglaublich schuldbewusst an.
    
    "Ich kann dich gut verstehen."
    
    "Es war blöd von mir, Werner nicht zu fragen, ob er zuhause ist."
    
    "Such die Schuld nicht immer bei dir. Du hast doch nur versucht, deine Lage zu verbessern und endlich einen Freund zu finden. Das ist weder dumm noch blöd. Das ist wohl eher dumm gelaufen. Kann jedem passieren."
    
    "Aber was soll ich jetzt machen? Ich weiß nicht wohin und das für vier Tage."
    
    Ich denke kurz nach. Ich kann und will das Mädchen nicht einfach seinem Schicksal überlassen.
    
    "Kannst du schwimmen?"
    
    "Ja", antwortet Anna. "Warum?"
    
    "Hast du deinen Personalausweis dabei?"
    
    "Ja, natürlich?"
    
    "Hast du Lust auf einen Segeltörn?"
    
    "Einen Segeltörn?", erkundigt sie sich. Ich sehe ihr an, dass ich sie mit meinen Fragen überforderte und sie nicht versteht, worauf ich hinauswill.
    
    "Ich bin auf dem Weg nach Kroatien. Dort habe ich ein Boot und wollte vier Tage aufs Meer hinaus. Kommst du mit?"
    
    Eine andere Lösung sehe ich nicht. Anna kann nicht allein bei uns bleiben, ins Heim kann sie auch nicht zurück, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen und eine Freundin hat sie nicht. Keine Ahnung, wie ich mir das vorstelle, mit einem jungen ...
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